Wir sind wohl jetzt da!
25. Juni 2010Alles klar, uebermorgen schlagen wir England! Wir haben noch einen dicken Kopf vom Anleger und so. Demnaechst mehr.
Herzlichst
Eure DADDELDU Crew
Alles klar, uebermorgen schlagen wir England! Wir haben noch einen dicken Kopf vom Anleger und so. Demnaechst mehr.
Herzlichst
Eure DADDELDU Crew
A. B. d. Daddeldu, Captain Smokes Marina, St. George, Bermuda, 6.6.’10
So,…
Wir sind gleich klar zum Auslaufen. Wasser ist gebunkert und noch ein paar kleine Reparaturen sind beendet worden. Wir haben nach dem Abschied von Ralf noch ein bisschen selbst verordnete Ruhe genossen und viele Versuche mit der Internetverbindung gemacht. Am Sa wurde gearbeitet und ich bin mit den Israelis vom Nachbarschiff zum Einkaufen gefahren. Hauptsächlich Gemüse und Trinkwasser. Abends gab es eine längere Grillparty zusammen mit den Israelis. Als unsere Nachbarn im Bett waren haben Christian und ich noch ein paar Fotos ins Netz geladen und als wir gerade auch schlafen wollten kamen die kanadischen Jungs noch zu uns. Na ja… wir waren um halb drei im Bett. Heute morgen dicke Köpfe und der vergebliche versuch an Land ein Frühstück zu bekommen. Dann wieder arbeiten an Bord. Es ist jetzt viertel nach drei und wir müssen gleich los. Die Tanke macht um fünf zu und wir brauchen noch Diesel für den möglichen Flautengürtel um die Azoren herum.
Nach dem Tanken geht’s auf See. Diesmal sind wir nur zu dritt und erwarten einen etwas sportlicheren Schlag. Die Nordrute kann manchmal etwas windig sein, aber keine Sorge, wir kriegen das schon hin und sind wie immer Vorsichtig.
Der Schlag ist ca. 1850 Seemeilen lang und wir hoffen um den 23.6. herum dort zu sein.
!Aber das ist nur unsere ETA. Also nicht gleich verrückt werden wenn wir uns um ein paar Wochen verspäten! 😉
Bis bald, und drückt uns die Daumen für GÜNSTIGE Winde.
Henning, Christian und Jens.
Good night and good luck.
Captain Smokes Marina, St. George, Bermuda, 04.06.’10
Leider hatten wir in den letzten Tagen keine Möglichkeit online zu gehen, was man an der differenz zwischen Erstellungsdatum des letzten Blogeintrages und der Veröffentlichung sehen kann. Aber jetzt scheint es wieder zu laufen.
Den Mittwoch, 2.6., brauchten wir erst mal um unsere nassen Sachen zu trocknen und wenigsten ein bisschen unter Deck aufzuklaren. Ich habe einige Stunden in meinem selbstgebauten Offline-Cafe verbracht und geschrieben. Christian und Jens haben versucht die Lichtmaschine zu reparieren damit wir in Zukunft auch unterwegs unsere Bordnetzbatterien laden können. Leider mit mäßigem Erfolg. Aber das Problem wird langsam eingegrenzt. Ralf hatte morgens ein Telefonat mit seinem Chef. Das traurige Ergebnis des Gespräches war, dass er aufgrund unserer Verspätung leider nicht mehr bis zu den Azoren bei uns bleiben kann. Die Pflicht ruft und er wird uns leider heute, am Freitag verlassen müssen. Das ist sehr schade für uns, da wir Ralf als Crewkameraden vermissen werden und außerdem auf dem langen Schlag, der vor uns liegt, nur noch zu dritt sein werden. Für Ralf ist es aber noch trauriger, dass er nun auf dem großen Seestück nicht mehr dabei sein kann.
Er fuhr also am Mittwoch mehrmals zum Flughafen um seine Rückreise zu organisieren. 🙁
Am späten Nachmittag waren wir Zeugen eines schlimmen Motorbrandes. Ein Motorboot hatte Feuer gefangen und trieb lichterloh brennend durch die Bucht aufs Ankerfeld und den Hafen zu. Wir waren zwar in Luv des Unfalls aber es kamen trotzdem unangenehme Gefühle auf. Als das Feuerlöschboot endlich vor Ort war um den Havaristen vom Ankerfeld wegzuschleppen war das Boot schon bis auf die Wasserlinie ausgebrannt.
Der Geruch nach verbranntem Plastik lag noch bis spät in die Nacht über der Bucht und vermieste uns den abendlichen Landgang. Luxusprobleme…
Am Donnerstag packten wir endlich unsere Badetaschen und machten uns auf Inseltour. Um endlich mal wieder etwas Wasser zu Gesicht zu bekommen stiegen wir auf die Fähre und fuhren zum Kreuzfahrtterminal am alten Fort auf der Nord-Westspitze der Insel. Abseits der ausgetretenen Touristenpfade, lediglich von ein paar hundert amerikanischen Rentnern begleitet begaben wir uns auf Entdeckungsreise in der örtlichen Shoppingmall. Als wir damit durch waren wollten wir endlich Schnorcheln gehen. Leider kostete der Strand 5$ eintritt und so beschlossen wir mit den öffentlichen Bussen lieber einen anderen Ort zum Baden zu suchen. Wir stiegen auf blauen Dunst einfach irgendwo wieder aus und begaben uns über kleine Nebenstrassen auf den Weg zum Wasser. Leider war die schöne Bucht nicht wirklich interessant und dicht bebaut mit privaten Villen so das wir keinen rechten Zugang zum Wasser fanden. Also wieder zum Bus und noch ein paar Stationen weiter. Die Straßen hier sind übrigens in sehr gutem Zustand und die Busse modern. Allerdings sind die Straßen sehr eng und kurvenreich und die Busfahrer fahren sehr ambizioniert im Nascarstyle. D.h. Accelerating in the curves.
An der Horse-Shoe-Bay verließen wir das rasante Gefährt. Eine steile Straße führte den Weg zum Strand hinab. Eine Hufeisenförmige Bucht (wer hätte das gedacht) mit rosa Strand und türkiesem Wasser. Eingerahmt von steilen Felsen mit einem vorgelagertem Riff. Der Strand war gut besucht aber nicht überfüllt und so fanden wir noch ein ruhiges Plätzchen für unsere Handtücher. Das Wasser war herrlich. 23 Grad warm. Wir legten sofort unsere Schnorchelausrüstung an und ab zum Riff. Leider war das Wasser nicht ganz so klar wie es wirkte und auch die Unterwasserwelt war für Karibik verwöhnte Taucher nicht allzu aufregend. Trotzdem schön. Endlich ein richtiger Strandnachmittag.
Gegen 1700 Uhr machten wir uns wieder an den Aufstieg zum Bus. Weiter nach Hamillton, der Hauptstadt der Insel. Dort gingen wir ein wenig spazieren und suchten uns dann ein nettes Bistro um eine Kleinigkeit zu essen und endlich den berühmten Rum-Swizzel zu probieren. Auf den Bermudas ist alles schweineteuer und das Bistro machte da keine Ausnahme. Also verholten wir in eine Sportsbar, die laut Reiseführer die billigsten Getränke der Stadt hatte. In etwa Kiezniveau. Ralf war schon früh müde geworden und verabschiedete sich gegen 9 um schon zurück an Bord zu fahren. Die drei Quades saßen noch ein wenig länger beisammen, nahmen aber auch um viertel vor elf den Bus zurück nach St. Georges.
An Bord bzw. im Offlinecafe gab es noch einen Absacker und da der große Frachter inzwischen wieder ausgelaufen war hatten wir auch wieder eine wackelige Netzverbindung. Keine drei Stunden und eine menge Gefluche später war der letzte Artikel samt Fotos auch schon hochgeladen.
Aber es wurde ja noch gar nicht berichtet wie es uns in der zweiten Woche auf See erging. Hier ist mein Bericht:
Nach unserem Badeausflug und Frühstück am Donnerstag den 27. starteten wir ja unsere Maschine und liefen den ganzen Tag und die ganze Nacht mit Motorkraft. Auch nervig weil das Schiff stärker rollt und die Maschine ziemlich laut ist. Aber wir machten einige Meilen und das war uns inzwischen doch wichtiger geworden. Christian und ich sind seit dem Sturm einigermaßen Seefest geworden und uns wird jetzt beim Kochen nicht mehr schlecht nur weil wir Bratendüfte und Spiritus- bzw. Petroliumgeruch in der Nase haben und sich die Küche mehrere Meter auf und ab bewegt.
Gegen sechs Uhr morgens geben wir der Maschine eine Pause und setzen wieder Segel. Wir haben nur 1 bis zwei Windstärken und kommen nur langsam voran. Dafür ist wieder Ruhe. Der Wind
legt zu und um 8 haben wir wieder 6-7 Windstärken. Die See war ja ohnehin noch recht hoch und türmt sich jetzt wieder ordentlich auf. Gute 3-4 Meter Welle aber das beeindruckt uns jetzt nicht mehr. Wir reffen und machen trotzdem sieben Knoten. Geiles segeln! Gegen Mittag verliert Ralf unter Deck den halt. Er fliegt durch den Salon und knallt mit vollem Kampfgewicht gegen den Tisch. Dieser hält dem Druck nicht stand und reißt aus der Verankerung. Ralf ist gottseidank nichts passiert aber der Tisch fliegt nun durch die Gegend. Wir schmeißen uns fast weg vor lachen. Der Skipper sagt ganz locker: „Das muss der Tisch eigentlich ab können. Wenn er das nicht kann müssen wir das besser machen.“ Trotz Seegang etc. werden die Werkzeugkisten rausgeholt und Christian bohrt mit dem Handbohrer die Bodenplatte durch. Jetzt wird der Tisch anständig durch gebolzt und ’ne Stunde später sieht man nichts mehr von dem Vorfall.
Wir brettern mit sechs Knoten durch die Nacht. Am morgen lässt der Wind etwas nach auf fünf später vier Beaufort. Um drei wird die Bordzeit eine Stunde vorgestellt. Wir sind jetzt soweit nach Osten vorgedrungen, dass wir nur noch fünf Stunden hinter der deutschen Zeit liegen. Um sechzehn Uhr reffen wir aus und laufen jetzt wieder unter Vollzeug.
Am Samstag ändert sich nicht viel aber am Sonntag morgen schläft der Wind wieder ein. Um vier bergen wir die Fock und starten die Maschine wieder. Um achtzehn Uhr beschließen wir noch eine Badepause zu machen und lassen die Maschine kurz abkühlen. Wir bereiten uns ein anständiges Sonntagsessen. Kartoffelbrei aus frischen Kartoffeln und dazu Spiegeleier und Erbsen und Möhren aus der Dose. Zum Nachttisch Fruchtcocktail aus der Dose. Saft aus richtigen Gläsern. Das tut gut und so starten wir nach zwei Stunden Pause wieder den Jockel.
Nachts sichten wir das erste Schiff seit vier Tagen und machen unsere Positionslichter doch lieber für eine halbe Stunde an. Stromsparen damit wir noch Reserve haben um Bermuda-Harbour anfunken zu können.
Am Montag ist wieder Action angesagt. Leichter Wind mit ein bis zwei Beaufort kommt auf. Das besondere ist, er kommt zum ersten mal aus Westen! Sonst immer nur von vorne. Das ist zwar lächerlich wenig aber das bietet uns die Chance endlich den neuen Blister auszuprobieren. Nicht zuletzt durch die eine Millionen Klicks in diesem Blog hier sind wir ja inzwischen weltberühmte Hochseelegenden geworden. Somit haben wir auch standesgemäß einen Sponsor. Ralfs Firma MARTRADE SHIPPING hat uns großzügiger weise das neue Segel spendiert. Also packen wir das gute Stück jetzt mal aus. Neunzig Quadratmeter strahlend weißes, ultra leichtes Segeltuch. Ein Ballonsegel für leichte Winde von achtern. Ralf dokumentiert das erste Setzen mit der Videokamera und Christian und ich schlagen das Teil an. Wir ziehen den Schlauch hoch, legen die Schoten klar, kontrollieren nochmal alles und dann der große Augenblick da. Wir ziehen den Schlauch ab und wusch, breitet sich der Ballon aus. Der stolze Orka von MARTRADE SHIPPING zieht uns vorwärts. Wir haben kaum Wind aber der Orka zieht uns mit sechs Knoten. Der Hammer! Fotos werden gemacht und wir sind froh und stolz das alles so gut geklappt hat. Das ist nämlich mit so einem Blister schon ein bisschen anders als mit anderen Vorsegeln. Und das beste, wir segeln ausnahmsweise mal in die richtige Richtung.
Das geht noch bis zum Abend so weiter, dann wird der Wind zu unsteht und wir haben angst, der Blister könnte Schaden nehmen wenn man in der Dunkelheit die Winddreher nicht rechtzeitig mitbekommt. Dann fällt er nämlich zusammen und wenn er dann vom Wind schlagartig wieder aufgepoppt wird entstehen ganz schöne Kräfte, die dem Tuch nicht gut tun. Man muss sehr aufmerksam Ruder gehen wenn der Blister oben ist und schnell jeden Winddreher mitsteuern wenn man das Schlagen des Segels vermeiden will. Die Selbststeueranlage schafft das nicht. Als es dunkel wird starten wir die Maschine wieder.
Ich sitze hier mal wieder im Waschsalon und schreibe. Leider habe ich die Logbücher vergessen und so habe ich momentan Schwierigkeiten mich an die genauen Ereignisse der letzten Tage auf See zu erinnern. Ich glaube wir hatten viel Flaute und ein paar Tage wenig Wind aus nur bedingt günstigen Richtungen. Jedenfalls war Bermuda schon deutlich zu erkennen als ich am Dienstag um acht aufstand. Zuerst war ich ein wenig enttäuscht, da die Insel im Dunst recht unspektakulär aussah. Aber als wir näher kamen konnte man erkennen, dass sie im richtigen Licht wohl doch recht hübsch sein muss. Auch war es eigentlich egal wie sie aussieht. Nach so langer Zeit auf See war ich einfach nur froh bald wieder anlanden zu können. Wir fuhren ca. eine Meile vom Ufer entfernt die Südostküste entlang und langsam verzog sich der Dunst. Die Sonne kam raus und die Insel wurde immer schöner. Das Wasser wurde türkies und unheimlich klar. Mit unheimlich meine ich gruselig, da man trotz 15 m Wassertiefe die Felsen auf dem Grund sehen konnte.
Als wir das Ostende der Insel erreichten waren wir schon alle hellauf begeistert und dann fuhren wir in den Town-Cut-Channel ein. Eine fünfzig Meter breite in den Felsen gesprengte Fahrrinne die in die Bucht von St. George führt. Links und rechts der Einfahrt liegen pastellfarbene Villen am Hang, Palmen und subtropische Blütengewächse. Als wir durch die Engstelle hindurch sind öffnet sich ein weite, rundum geschlossene und türkies blaue Bucht vor uns. Wunderschön. Rechts neben uns liegt das Ankerfeld mit ca. zwanzig Segelyachten. Viele Kanadier ein paar Ammis und einige Europäer. Voraus liegt die kleine Zollinsel mit einem Uralten aber top gepflegten Zollhäuschen, dahinter der kleine aber inzwischen gottseidank still gelegte Cruiseship-Terminal. Am rechten Ufer liegt das kleine Städtchen St. George. Sehr hübsch alles.
Wir müssen beim Zoll einklarieren und halten auf den Zollanleger zu. Der einzige Liegeplatz ist aber noch von einem Kanadier belegt. Der Zollbeamte am Ufer ruft uns zu wir sollen uns einen Augenblick gedulden. In zehn Minuten können wir wiederkommen. Also drehen wir ab und fahren ein paar Kringel in der Bucht. Erstmal einen Überblick verschaffen. Hinter dem alten Cruiseship-Terminal ist der „Industriehafen“, eine Kaimauer mit Platz für einen mittleren Frachter. Noch ein Stück weiter liegen drei Yachten mit dem Heck zum Land an einer kleinen Kaimauer. Captain Smokes Marina. Das sieht eigentlich ganz nett aus. Sehr ruhig vor allem. Das ist wichtig, denn wir haben inzwischen ein wenig Angst vor Menschen und vor allen Dingen keine Lust gleich in irgendwelchen Trubel zu geraten.
Aber bevor auch nur einer von uns an Land darf müssen wir beim Zoll das OK abholen. Der Kanadier liegt immer noch wo er war und drehen wir weiter unsere Runden, sind mächtig aufgeregt ob des bevorstehenden Landgangs. Und wir sehnen uns nach Eis und kühlen Getränken, einer Dusche und etwas leckerem zu Essen. In der Bucht ist es fast Windstill und die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel.
Nach ca. einer Stunde sehen wir wie der kanadische Skipper wieder an Bord geht und die Crew die Leinen los schmeißt. Endlich sind wir dran. Jens legt einen souveränen Anleger hin und Ralf und ich steigen lässig mit den Leinen über. Das Schiff liegt und ein sehr freundlicher und höflicher Zollbeamte heißt uns willkommen. Er hat einen Stapel Papiere mitgebracht die wir jeder ausfüllen müssen. Aber das ist schnell erledigt. Der Skipper nimmt die Papiere und unsere Pässe an sich und verschwindet im Zollhaus. Wir anderen müssen an Bord warten. Wir beginnen schon mal damit den Kühlschrank leer zu schöpfen (geschmolzenes Eis von vor zwei Wochen) und ihn gründlich zu reinigen. Der stinkt nämlich auch ganz schön. Dann wird er mit Büchsen gefüllt und ist nun bereit für einen frischen Sack Eiswürfel.
Jens kommt zurück, aber wir freuen uns zu früh. Er muss unsere Seenotrettungspistole abgeben und noch irgendwelche Unterlagen nachreichen. Nach ca. einer Stunde ist es dann aber geschafft. Wir haben die Erlaubnis die Insel zu betreten. Direkt neben der Zollinsel sind ein paar Liegeplätze aber sie befinden sich direkt am Marktplatz und einer Bar aus der laute Musik dröhnt. Sieht zwar nett aus ist uns aber viel zu stressig. Wir müssen uns erst mal wieder an den Großstadttrubel dieses 1000 Einwohner Ortes gewöhnen. Also verholen wir zu Captain Smoke da wir Strom für unsere Bordbatterien brauchen und gerne Duschen wollen. Deshalb lieber nicht Ankern.
Als wir einigermaßen vernünftig liegen wird Christian von Bord um Eis zu besorgen. Es gibt als Anleger einen Campari mit Grapefruitsaft und Eis! Den Rest kennt ihr.
Henning
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Die in diesem Blog veröffentlichten Meinungen und Kommentare sind lediglich private Äußerungen des Autors und entsprechen nicht den Ansichten von MARTRADE SHIPPING oder deren Mitarbeitern.
Ein echter Akt, aber hier ist er endlich:
A. B. d. Daddeldu, Captain Smokes Marina, St. Georges, Bermuda, 2.6.’10
Guten morgen Liebe Leser,
wir haben die erste Nacht im Hafen seit fast zwei Wochen sehr genossen. Zum ersten mal wieder länger als vier Std. am Stück geschlafen und sind jetzt fast wieder ausgeruht. Nachdem Christian gestern als erster von Bord geschickt wurde um einen herrlichen Sack Eis zu besorgen, gab es erst mal einen Anleger. Ihr verwöhnten Stadtmenschen könnt euch nicht vorstellen wie gut so ein kaltes Getränk tun kann. Echt der Hammer!
Anschließend sind ich und Ralf duschen gegangen und haben uns eilig auf den Weg zum Postamt gemacht um meine heiß ersehnte Post in Empfang zu nehmen, die dummerweise nur bis zum 31. postlagernd auf mich warten sollte. Leider hat die relativ hilfsbereite Postbeamtin mir recht glaubhaft versichert, dass nichts für mich gekommen, geschweige denn weggeworfen worden sei. 🙁 Ich soll mich Montag nochmal melden. Da sind wir aber leider nicht mehr hier. Tja das sind die persönlichen Schicksalsschläge die man so erleidet… Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf. Vielleicht kommt sie ja noch mit dem nächsten Postschiff?
Jedenfalls haben wir beide bei unserem Postausflug gleich mal einen Blick auf das wunderschöne Städtchen St. Georges werfen können. Kleine alte Häuser und enge Gassen, liebevoll in Stand gehalten und in Pastelltönen gestrichen. Palmen und Oleander, Subtropische Pflanzenwelt und trotz des kleinen Kreuzfahrtterminals und einer gewissen, touristisch orientierten, Struktur sehr angenehm. Die Einheimischen sind sehr nett und höflich ohne dabei aufdringlich zu sein. St. Georges liegt an einer rundum geschützten türkies blauen Bucht in der Segelschiffe ankern. Die Insel ist insgesamt sehr grün und hügelig. Steile Felsen wechseln sich mit leicht rosanen Stränden ab und zumindest die Ecke in der wir sind ist nicht zu eng bebaut. Der erste Eindruck ist wunderbar! Wir sind bis zum Rathausplatz geschlendert haben uns die Restaurants angesehen und sind dann zurück an Bord.
Dort hatten Jens und Christian inzwischen das Schiff etwas aufgeklart, die Selbststeueranlage demontiert und vor allem das Deck von der dick auskristalisierten Salzkruste befreit. Jetzt können wir endlich unsere Matratzen an Deck trocknen, die seit ’ner guten Woche, schön durch genässt, vor sich hin modern. Als die beiden auch geduscht waren und wir eine erste Nachricht über die gewohnt wackelige Internetverbindung abgesetzt hatten, ging es gemeinsam auf Landgang.
Auf dem Weg zum auserkorenen Restaurant wurden wir von einer Frau in der typischen Tracht des 18. Jahrhunderts angesprochen und eingeladen ihrer Darstellung von Frauenbestrafungen der alten Tage beizuwohnen. Auf dem Marktplatz waren ein paar Stände mit kubanischen Zigarren und T-Shirts etc. aufgestellt. Ein DJ beschallte den Platz mit Steelband Rhythmen. Viele Einheimische und ein paar Touristen standen in losen Gruppen beisammen oder saßen auf Bänken um den Platz vor dem historischen Rathaus und genossen den lauen Abend. Chris und ich organisierten vom nahen Supermarkt ’ne Runde Kaltgetränke, die wir stilecht in braune Papiertüten gehüllt verzehrten.
Dann ging die Show los. Die Frau war angeklagt ein Lästermaul zu sein und ihrem Mann widersprochen zu haben. Ganz klar, das muss bestraft werden! Also ab auf den Tauchstuhl mit ihr. Eine lange Wippe mit einem Stuhl am einen Ende, auf dem die Frau unter lautem Wehgeschrei postiert wurde, sollte ins Hafenbecken getaucht werden. Leider zerrte der Richter mich und Christian aus der Zuschauermenge und so mussten wir an dem sadistischen Spektakel aktiv teilnehmen und zusammen mit ein paar Schotten den Tauchstuhl bedienen. Die Frau wurde ein paar mal im Wasser versenkt bis sie einsah, sich in Zukunft besser zu benehmen. Das Publikum hatte wohl ähnlichen Spaß an der Sache wie die Leute früher. Nur das die Frauen damals wohl ernsthaft gefesselt waren und nicht nur kurz eingetaucht wurden sondern beinahe ertränkt. Was für eine Gaudi!
Nach dem Auftritt als Henkersgehilfen hatten wir uns nun aber doch was zu Essen verdient. Also ab ins White Horse. Ein Restaurant in dem man schön draußen an der Waterfront sitzen konnte. Guter Blick auf den Hafen (wir brauchen halt das Wasser) und den Marktplatz. Es gab Fish and Chips und ein Bierchen. Nach dem Essen noch ein wenig in den Raucherbereich, wo Rolf auch in Ruhe seine Cohiba genießen konnte. Eine kleine Nachbesprechung des letzten Schlages und Planung für die nächsten Tage. Dann hundemüde zurück an Bord und erst mal ausschlafen…
Ja, das war gestern, aber bis dahin war es ein weiter Weg übers Wasser. Ich versuche mal, unter Zuhilfenahme der Logbucheintragungen, das Erlebte zu beschreiben:
Am Freitag den 21. Mai 2010 sind wir früh aufgestanden. Klar Schiff machen zum Auslaufen, die letzte Dusche für diese Woche (?) und dann Leinen los. Pünktlich um halb acht lagen wir am Tankstellen Steg zum Diesel und Wasser Bunkern. Noch schnell die letzten Briefe beim Hafenmeister abgegeben und einen Sack Eis besorgt damit wir zumindest noch zwei Tage ungeschmolzene Butter etc. haben. Die Hafenmeisterin schoss noch ein Gruppenfoto von der unerschrockenen Crew und dann hieß es endgültig: Farewell, land of the free!
Unter Maschine raus aus der Marina und vorbei an der Skyline der Innenstadt durch den Stadthafen. Deck aufklaren, Fender und Festmacher weg stauen. Den Kram brauchen wir jetzt vorläufig nicht mehr. Die Stadt bleibt achteraus im Kielwasser und wir passieren die Werften und Containerterminals, biegen um die Ecke und vor uns tauchen die Marineanlagen auf. Ein riesiges Kriegsschiff neben dem anderen, soweit das Fernglas reicht. Ganz schön bedrückend. Das Funkgerät plärrt unentwegt Security-Meldungen von auslaufenden Kriegsschiffen, die um Sicherheitsabstand bitten. Irgendwann lassen wir es einfach, uns noch darum zu kümmern. Wir fahren außerhalb des Fahrwassers, dicht neben dem Tonnenstrich und von so großen Pötten halten wir uns ohnehin frei. Dann taucht die Carrierpier vor uns auf. Hier liegen zwei große und ein kleiner Flugzeugträger. Es herrscht reger Helikopter verkehr, die Dinger fliegen immer im Kreis um ihre Mutterschiffe und passen auf das keine Terroristen zu nahe kommen.
Die Sonne scheint, es ist warm und ein ganz leichter Wind hauch weht von Osten her. Die Bucht weitet sich aber hier ist immer noch zu viel Verkehr um bei dem unsteten Wind zu segeln. Wir passieren den Chessapeake-Bay-Bridge-Tunnel und als wir gerade durch diese Engstelle hindurch sind, kommt ein Flugzeugträger von hinten auf und überholt uns. Ich habe den Namen leider vergessen aber ich glaube es war die USS Warcrime, oder so ähnlich. Ein kleines Boot der Küstenwache mit Maschinengewehr auf dem Vorschiff schiebt sich zwischen uns und den Träger. Safety-reasons. Die passen auf das wir mit unserem sprengstoffbepackten High-Speed-Boot nicht zu nahe kommen und vereiteln so unseren Anschlag. Wir dampfen weiter ostwärts. Irgendwann entpuppt sich die große Tonne voraus, als der Turm eines einlaufenden Atom-U-Bootes und das gleiche Spiel mit einem bewaffneten Begleitboot beginnt von vorn.
Wir fahren ein paar Kreise um unseren Kompass richtig einzustellen. Den brauchen wir Zukunft. Als wir die Ansteuerungstonne der Chessapeake-Bay erreichen setzen wir zum ersten mal nach vier bzw. drei Jahren die Segel. Dann wird die Maschine endlich abgestellt und herrliche Ruhe kehrt ein. Alles ist perfekt, nur der Wind weht genau aus Richtung Bermuda. Wir laufen 2,5 bis 3,5 Knoten und müssen kreuzen. Aber noch sind wir unverzagt. Bei so geringem Wind kann die Daddeldu kaum Höhe laufen und Abdrift und Strom setzen uns uns wieder nach Westen. Wir segeln praktisch auf der Stelle von Norden nach Süden und wieder zurück vor der Chessapeake Mündung.
Es wird Abend. Ralf und der Skipper bilden die Backbordwache und Christian und ich die Steuerbordwache. Die Schichten sind von 2000 bis 0000, von 0000 bis 0400 und von 0400 bis 0800 Uhr. Tagsüber nach Bedarf, so das jeder sich mal ein paar Std. hinhauen kann und immer eine Nacht mit Doppelschicht auf eine Nacht mit nur einer Wache folgt. Wir überstehen die erste Nacht auf See sehr gut. Es gibt ein reichhaltiges Frühstück, zum Mittag ein Stück Obst und gegen 1900 ’ne warme Mahlzeit. Diesen Speiseplan behalten wir auch in den nächsten Tagen bei. Christian und ich haben leichte Anzeichen von Seekrankheit und mögen nicht so gerne unter Deck. Ralf und Jens haben keine Probleme und so kümmern sie sich in den ersten Tagen meistens um die Backschaft. Gegen Mitternacht bleibt der Wind ganz aus und wir dümpeln ein paar Stunden ‚rum. Aber auch das gehört zum Segeln und wir sitzen die Flaute aus ohne zu motoren. Für die Strecke zu den Bermudas reichen unsere 400 Liter Diesel eh nicht aus. Am Horizont sieht man Wetterleuchten. Genau in der Richtung wo wir hin wollen. Wir sind nicht ganz sicher ob wir uns das Gewitter wirklich her wünschen sollen. Wahrscheinlich ist da Wind drinnen, aber vielleicht auch zu viel.
Tagsüber sehen wir ein paar Vögel und Delphine, die vorbei schwimmen, es ist interessant aber nicht spektakulär. Spektakulär ist der Blick aus meinem improvisierten (Internet)-Cafe. Ich sitze in der Marina, die eigentlich nur eine Kaimauer ist, und Platz für ca. 7 Schiffe hat, die römisch-katholisch, mit dem Heck zum Kai an Mooringankern liegen. Momentan liegen hier nur wir und noch ein französisches Pärchen. Es gibt ein kleines Duschhäuschen und einen Grillplatz mit Sonnenzelt unter dem Ich gerade sitze und schreibe. Ich blicke auf unser Schiff und die blaue Bucht, ca. 100 m neben mir wird gerade ein Frachter beladen und es weht ein erfrischender Wind. Aber weiter:
Wir segeln auf und ab und nach 48 Std. sind wir mal gerade 27 Meilen von der Küste frei gekommen. Wir können noch nicht mal nach Süden ablaufen, da wir uns noch nicht von Cape Hatteras frei gekreuzt haben und somit Gefahr laufen würden auf dem „graveyard of the outer banks“ zu enden wenn wir zu weit nach Süden kommen. Dort gibt es Sandbänke die weit in den Atlantik raus reichen und auf die haben wir keine Lust. Nach zwei Tagen fällt der Satz: „Der Wind muss jetzt endlich drehen. Egal wo hin. Ich will nur noch weg von diesem […] Amerika!“
Am Pfingstsonntag gibt es natürlich besonders leckeres Essen. Steaks mit Reis und Paprika Gemüse. Aber wir haben immer noch Flaute. Nachts kommt leichter Nebel auf, man sieht wieder Wetterleuchten am Horizont aber sonst passiert nicht viel. Wir machen ein bis zwei Knoten Fahrt durchs Wasser und haben ein Etmal (gesegelte Strecke in 24 Std.) von 35 Meilen, sind aber nur zehn Meilen nach Osten gekommen. Immer noch 570 Seemeilen nach Bermuda. Langsam kommt leichter Frust auf. Auch das ist Segeln.
In unserer Hundewache (von 0000 bis 0400) Sonntagnacht kriegen Christian und ich einiges zu sehen. Das Schiff läuft mit 2 Knoten unter der Windfahnensteuerung und es ist ein phantastischer Sternenhimmel mit vielen Sternschnuppen. Gegen eins hören wir komische Geräusche im Wasser und sehen helle Schatten durchs Meer gleiten. Der Mond geht auf und wir beobachten ein kleine Schule Delphine, die in unserem Kielwasser folgt. Es sind mindestens zehn Tiere und eine Mutti mit ihrem Jungen ist auch dabei. Sie tauchen immer wieder unter dem Schiff durch und folgen uns über eine Std. Sie scheinen sogar auf unsere Anwesenheit zu reagieren, denn immer wenn wir an einer Stelle des Schiffes zusammen stehen und ins Wasser blicken, dauert es nicht lange bis die Delphine sich auch genau an der Stelle sammeln, wo wir über die Reling blicken. Irgendwann sind sie dann aber weg. Ist wohl doch zu langweilig geworden.
Der Himmel zieht zu und es wird dunkler. Dafür können wir jetzt die Elektriker besser sehen. Das ist phosphorisierendes Plankton und kleine Quallen die anfangen zu leuchten wenn sie durch das vorbei fahrende Schiff gestört werden. Andere Leute behaupten es seien die Seelen der von Günther freigestellten Siemens Mitarbeiter. Das Kielwasser und die Bugwelle leuchten gespenstisch grün in der Schwärze der Nacht. Meeresleuchten. Gegen halb drei ziehen sich zwei Fronten in denen es reichlich blitzt am Horizont zusammen. Unser Kurs führt genau in der Mitte hindurch. Ausweichen ist eh nicht, also bereiten wir uns auf’s Reffen vor, ziehen Parka und Schwimmwesten an und legen die Lifebelts bereit falls wir auf die Mütze kriegen und auf’s Vorschiff müssen. Es blitzt und donnert zwar aber es kommen nur ein paar wenige Regentropfen vom Himmel und der Wind legt nur sehr wenig zu. Als wir um vier die Wache übergeben sind wir schon durch die Front hindurch und der Skipper macht sich lustig über uns weil wir unser „Badezeug“ tragen. Aber auch das ist Segeln.
Ralf und Jens lassen uns gnädig bis um zehn schlafen und als wir an Deck kommen scheint die Sonne. Es hat aufgefrischt wir haben über zwei Meter Welle und laufen sechs Knoten. Geil! Solche Segeltage hat man in Deutschland nur ein bis zweimal im Jahr. Ich brauche etwas Abstand und trinke meinen Kaffee auf dem Vorschiff. Dann sichten wir eine größere Schule Delphine Steuerbord quer ab. Ich setzte mich in den Bugkorb und lasse meine Beine über Wasser baumeln. Aber die Delphine sind wieder weg. Wir haben die Ausläufer des Golfstroms erreicht und das Wasser ist unbeschreiblich. Ein intensives Saphirblau. Die Sonne strahlt und es ist ein herrlicher Vormittag. Plötzlich sehe ich unter mir ein paar helle Schatten durch Wasser schießen. Ich denke schon ich halluziniere, doch dann tauchen sie auf. Die Delphine sind wieder da! Es sind mindestens zwanzig Stück. Im zick-zack Kurs kreuzen sie unsere Kurslinie und einige springen richtig hoch aus dem Wasser. Ein atemberaubendes Schauspiel und das bei fast schon kitschigen Licht- und Farbverhältnissen. Nach ein paar Minuten sind sie eben so schnell wieder weg wie sie aufgetaucht sind.
Wir kommen gut voran wenn auch nur in halbwegs passende Richtung. Es tauchen vermehrt Portugisiesche Galeeren auf. Das sind Feuerquallen, deren Körper aus dem Wasser ragt und ein kleines Segel hat mit dem sie vorwärts kommen. Unter dem Körper hängen ihre fast unsichtbaren Nesselfäden, die angeblich bis zu zwanzig Meter lang werden können und ein starkes Gift enthalten. Eine Berührung damit soll sich wie ein Bienenstich anfühlen und da man sich beim Schwimmen meistens total darin verheddert kann man wohl an dem Schock sterben. Jedenfalls vergeht uns bei ihrem Anblick die Badelust. Außerdem machen wir ja gute Fahrt und werden jetzt nicht anhalten nur weil wir langsam anfangen zu müffeln.
Der Wind legt weiter zu, die See baut sich auf und wird steiler, da wir nordöstliche Winde haben und der Golfstrom gegen den Wind steht. Christian und ich schlafen am Nachmittag noch ein wenig. Der Skipper vermutet zu recht, dass das Kochen in den nächsten Tagen schwierig wird und macht uns nochmal was anständiges zu Beissen. Baked Beans und gebratenen Speck. Als Christian und ich aus der Koje kommen herrscht unter Deck ein Rauchinferno. Wir schieben 40 Grad Lage, das Schiff stampft und Jens und Ralf stehen, mehr schlecht als recht, festgekeilt vor dem Herd. Jens eine Pfanne in der Hand, Ralf reicht ihm den Teller mit dem bereits fertigen Speck an damit Jens nachlegen kann. Die Küchenrolle auf der der Speck abtropfen soll brennt. Es liegt ein wahrlich köstlicher Geruch von Speck, Bohnen, Petrolium und Feuer in der Luft. Man kann kaum bis zum Niedergang gucken. Aber unter solchen Bedingungen überhaupt etwas zu kochen ist eine wahre Heldentat. Und das ohne zu kotzen. Respekt. Wir verschlingen gierig unsere letzte Mahlzeit und dann macht Ralf auch noch den Abwasch damit nicht auch noch das Porzellan durchs Schiff fliegt.
Langsam kommt Druck auf die Pinne und sie ist auch mit zwei Händen immer schwerer zu halten. Es wird dunkel und die See ist jetzt weit über drei Meter. Wir Reffen um Mitternacht das Groß aber der Wind nimmt weiter zu. Beim Reffen im dunklen auf dem Vorschiff ist es echt ungemütlich. Im Cockpit bekommt man, trotz Sprayhood, in unregelmäßigen Abständen Kübelweise Wasser in den Nacken geklatscht. Aber übers Vorschiff wäscht grünes Wasser! Hier kann man sich nur angeleint bewegen und braucht im Prinzip beide Hände und beide Füße um sich festzuhalten. Dabei wird man mit Ladungen Wasser beschossen die dem Inhalt von mehren Badewannen entsprechen. Dabei braucht man eigentlich noch drei Hände um das Segel zu bändigen. Wer nach vorne geht ist danach, trotz Ölzeug, buchstäblich nass bis auf die Haut. Das Vorschiff Stampft mehrere Meter auf und ab und in Christians Vorschiffskoje kann man beim besten Willen und aller Erschöpfung nicht mehr schlafen. Dazu kommt, dass die Lukendeckel dem grünen Wasser nicht standhalten und alles im Vorschiff überschwemmt ist. Christian versucht es trotzdem. Nach drei Stunden vergeblicher Mühe wird er vom Skipper gerufen. Das reißt ihn aus seiner apathischen Lethargie und er stürzt durch den Salon zum Niedergang um sich mitten ins Cockpit vor die Füße von Ralf und Jens zu erbrechen. Auch das ist Segeln.
Die Koje vom Skipper wird nur leicht feucht, aber sie liegt auf der Luvseite. Also auch nicht zu benutzen. Jens pennt in meiner Koje und Christian in Ralfs. Als ich nach meiner Wache ziemlich erschöpft in meine vorgewärmte Koje klettern will muss ich leider feststellen, dass das Wasser Literweise aus der Deckenverkleidung läuft. Der Spinnakerbaum hat meinen Lüfter weggeholzt und nun bringt jeder Brecher frisches Salzwasser in meine gemütliche Luxuskabine. Also ist die nächste Leekoje unbewohnbar. Viel haben wir nicht mehr zur Auswahl. Ich krieche in die Hundekoje, die sonst Ralfs Domizil ist und Christian nimmt im Salon auf dem Sofa platz. Ein Paar Std. „Ruhe“. Leider lässt sich der Lüfter in der Hundekoje nicht mehr richtig schließen. Eins der Dinge die wir in der Jarrett-Bay nicht mehr geschafft haben und die sich jetzt rächen. Ich verschließe den Lüfter notdürftig mit alten Handtüchern und jetzt tropft es nur noch. Aber hey, es ja nur das Fußende! Also Scheiß egal, Hauptsache liegen. Auch das ist Segeln.
Um sechs Uhr morgens ist die Pinne nicht mehr zu halten und wir bergen das Großsegel ganz. Nur unter Fock laufen wir immer noch sieben Knoten in Böhen auch mal acht. Das ist für unsere Verhältnisse ziemlich schnell, aber auch ungemütlich bei dem Seegang. Egal, wir haben die Nacht überstanden und bei Licht wirkt das ganze nicht mehr ganz so bedrohlich. An Kaffeekochen oder gar was zu Essen ist bei diesen Bedingungen nicht mal zu denken. Wir haben seit Montag Abend nichts vernünftiges mehr gegessen. Nur ab und zu ein kleiner Schluck Wasser, damit man nicht so oft pinkeln muss und alle acht Stunden einen Müsliriegel. Die ohnehin schon müffeligen Klamotten die komplett durchgeweicht sind bilden zusammen mit der Ausgelaufenen Flüssigkeit aus dem Klobürstenhalter eine wahrlich Atemberaubende Geruchskomposition unter Deck. Aber das interessiert nicht. Wir haben andere Dinge über die wir nachdenken. Ja, auch das ist Segeln.
In der Sicherheit des Tageslichtes mache ich mich auf zum Vordeck um dort wenigstens Notdürftig das Loch vom Lüfter zu stopfen. Das Deck Stampft immer noch ungemein und ich habe keine Chance da irgendeine sinnige Konstruktion zustande zu bringen. Ich schreie meine Wut laut in den Wind, aber das hört wohl keiner. Ich stopfe noch ca. zwanzig Minuten vergeblicher Versuche einfach eine Tüte ins Loch, und begebe mich an die Reling um ein wenig zu würgen. Es kommt aber nichts. Was denn auch? Nach dem ich meinen Blick wieder an den Horizont heften kann geht’s mir wieder gut.
Als der Wind ein wenig nachlässt, halten wir das Messgerät hoch. Es zeigt immer noch 7-8 Beaufort. Zwischendurch hatten wir mehr. Im Logbuch steht die See hatte stärke 5-6 das heisst nach Definition: grobe bis sehr grobe See. Klingt so nüchtern aber wenn fünf Meter Brecher auf dich zu rollen und du bei Wellenüberlagerungen in 10 Meter tiefe Täler blickst, dann weißt du, dass mehr nicht unbedingt brauchst.
Dienstag Abend um zehn flaut der Wind auf sechs Beaufort ab und wir setzen wieder das gereffte Grosssegel. Wir haben immer noch nichts gegessen und brettern weiter bei Starkwind durch die Dunkelheit aber nach den Stunden zuvor kommt uns das alles nicht mehr wild vor. Man teilt sich die letzten zwei, nur leicht nassen, Schlafplätze und ist trotz Nässe und Gestank einfach nur froh pennen zu können. Auf unserer Nachtwache sagt Christian zu mir: „Du Henning, wenn morgen das Wetter wieder besser ist, dann trinken wir ein schönes Glas Grapefruitsaft, ja?“ Ich bin einverstanden und wir sitzen total glücklich im Cockpit und grinsen beide debil vor uns hin und freuen uns darauf, morgen eventuell ein Glas Saft trinken zu können.
Am Mittwoch morgen haben wir nur noch 5 Windstärken und es gibt wieder was zu Essen. Ein Glas Wasser und ’ne Dose Corned-Beef. Dazu eine Scheibe Dosenbrot für jeden. Die erste richtige Mahlzeit seit 36 Std. Männerfrühstück. Die See ist immer noch um die drei Meter, jetzt aber nur noch „mäßig bewegt“. Christian und Jens bauen die alte Lenzpumpe aus und die Reservepumpe ein. Jetzt können wir die, inzwischen gut gefüllte Bilge lenzen. Wir haben unseren ersten kleinen und gottseidank kurzen Sturm ohne Verletzte überstanden.
Der Wind nimmt weiter ab. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben Christian und ich die Doppelschicht. Wir laufen wieder unter Selbststeueranlage, die übrigens zwischendurch auch kaputt ging, aber mit Bordmitteln bei voller Fahrt repariert wurde. Unter Deck ist immer noch alles nass, Salzwasser trocknet nicht. Auf Nachtwache ist es bei Chris und mir so, dass einer von uns steht und Ausguck hält, während der andere daneben sitzt und döst. So fertig sind wir noch von dem kleinen Sturm. Wir tauschen dann stündlich. Als die Sonne aufgeht greife ich mir Ralfs Videokamera und fange ein wenig die Stimmung ein. Wir machen es uns gemütlich und spielen eine Partie Backgammon. Als wir gerade die zweite Partie am laufen haben, flaut der Wind ganz ab. Die Windfahnensteuerung läuft aus dem Ruder und als wir die zweite Pantentwende fahren beschließen wir die Segel wegzupacken und einen kleinen Badeausflug zu wagen. Der Skipper ist natürlich aufgewacht als die Daddeldu aus dem Ruder lief (so was kriegt der immer mit) und kommt kurz zu uns, gibt sein OK für unseren Plan und verschwindet wieder in der Koje.
Als wir das Groß runter holen wacht Ralf auf. Wir berichten ihm vom Plan und ich glaube er freut sich noch mehr als wir. Schnell die Solardusche mit kostbarem Süßwasser gefüllt, die Badeleiter und einen Fender aussenbords gebracht, Handtücher und Taucherbrillen bereit gelegt und los geht’s. Das Wasser ist hier ca. 5000 m tief und die nächste Küste (Bermuda) über 400 Meilen entfernt. Ein bisschen komisches Gefühl jetzt über Bord zu springen. Aber das Wasser ist herrlich. Tiefblau und 23 Grad warm. Man kann unter Wasser über zwanzig Meter weit sehen und hat das Gefühl in Unendlichkeit zu versinken wenn man unter Wasser ist. Immer zwei Leute planschen im Wasser und einer Steht an Deck, als Haiwache. Wir rechnen zwar nicht wirklich mit Haien aber vor den Portugiesischen Galeeren haben wir Respekt. Nach dem Bad Duschen wir uns endlich das Salzwasser von der Haut. Wir hatten uns zwar an den erotisch, männlichen Körpergeruch unserer, seit sechs Tagen ungewaschenen, Crewkameraden gewöhnt, aber es ist trotzdem ein Traum wieder sauber zu sein.
Nach dem Bad steht Jens auf und darf auch ins Wasser, Christian und ich bereiten das Frühstück. Es ist Seemannssonntag und das soll entsprechend begangen werden. Es gibt Bratnudeln von gestern mit den letzten Brotscheiben und dazu ein Weichgekochtes Ei. Zum Nachtisch Obstsalat. Nach dem Essen setzen wir wieder Segel und dümpeln mit ein bis zwei Knoten vor uns hin. Um 1400 haben wir die Faxen dicke und bergen die Fock, starten die Maschine. Jetzt wollen doch mal ein paar Meilen in die richtige Richtung machen…
So ich glaube das reicht für heute. Ich weiß noch nicht wann und wie ich dies hier hochladen kann und wie es mit den Fotos aussieht aber ich gebe mein Bestes.
Fortsetzung folgt.
Henning
Insgesamt ca. 12 netto Arbeitsstunden von verschiedenen Leuten. Nur mal zur Info.
A. B. d. Daddeldu, Captain Smokes Marina, St. Georges, Bermuda, 01.06.’10
Ich kann euch sagen, es war ne lange Ãœberfahrt!
Wir hatten für die 650 Seemeilen ca. 7 Tage geplant. Gesegelt sind wir 1040 Seemeilen und haben fast zwölf Tage gebraucht.
Das Wetter war abwechsungsreich, gesehen haben wir einiges, zu Essen gab es manchmal was und ansonsten sind wir, den Umständen entsprechend, gut klar gekommen und haben heute das Paradies (?) entdeckt.
Der Wind wollte nicht so wie er sollte und so zog sich der Schlag etwas in die Länge. Wir hatten ein paar Flauten, viele beinahe Flauten, wenig guten Segelwind, ein paar Tage Starkwind und einen kleinen Sturm. Aber eines war kostant: der Wind kam IMMER direkt von vorn. Das hat teilweise ganz schön an den Nerven gezehrt aber wir haben es durchgestanden und sind heute mittag in die wunderschöne Bucht von St. George eingelaufen. Nach einigem Zeitaufwand für Zoll etc. haben wir nun einen guten Liegeplatz und laden nun unsere Batterien. Sowohl vom Schiff als auch die der Crew.
Wenn der letze aus der Dusche gekommen ist werden wir uns ein schönes Restaurant suchen und erstmal was essen gehen was nichts mit Corned-Beef zu hat. Morgen werde ich mal anfangen die Ãœberfahrt etwas detailierter zu beschreiben. Jetzt brauchen wir erstmal nen Augenblick um anzukommen…
Henning
Ich muss nochmal betonen, dass uns keine Schuld trifft an eurer Versorgungsluecke, was den Informationsfluss angeht. Es ist schlicht nicht moeglich ins Netz zu kommen. Jetzt gerade steh ich beim Hafenmeister im Buero und kann hier auch keine USB Sticks anschliessen. Deshalb nur kurz:
Uns geht es gut, wir haben ein wenig gefeiert und viel gearbeitet! Das Schiff ist jetzt soweit, dass wir unseren ersten Schlag wagen wollen. Morgen (Freitag) um halb 8 wollen wir an die Tanke und nochmal Diesel und Wasser bunkern. Direkt im Anschluss heisst es Leinen los Richtung Bermudas. Das sind ca. 650 Seemeilen und wenn der Wind guenstig ist, sieht momentan eher nach zuwenig aus, werden wir ca. 7 Tage unterwegs sein.
Also ETA St. George Freitag der 28. Mai.
!!!Ich moechte hier noch einmal ausdruecklich darauf hinweisen, dass das ein geschaetztes Datum ist und euch bitten nicht gleich in Panik aus zu brechen wenn wir uns um ein paar Tage verspaeten.!!!
Liebe Gruesse an euch alle und drueckt uns die Daumen, dass es ein guter Trip wird. Wir melden uns wenn wir da sind.
Im Auftrag der ganzen Crew, Henning
A. B. d. Daddeldu, Portsmouth, Va, 17. Mai ’10
Tscha,…nu sind wir vier…
Und es ist gut!
Jens und ich haben den Sonntag noch für letzte Arbeiten und das große Klarschiffmachen genutzt, uns nochmal Nudeln gekocht, nen Mittagsschlaf gehalten und dann sehr gespannt auf unsere neuen Crewmitglieder gewartet. Die Ansage war ja sie sind gegen halb elf an Bord. Das habe ich zwar nicht geglaubt aber als wir fertig waren und ich mir gerade mein neues Buch gegriffen hatte, der optimistische Skipper suchte gerade seine Jacke um zum Parkplatz zu gucken, hörten wir vertraute Laute von draußen. Man sprach Deutsch. 22:30. Das waren sie! Aufgeregt und müde aber gut drauf und satt. Das erste Übersteigen vom Steg an Bord gut gemeistert. Alle ein wenig, verlegen ist das falsche Wort, aber so ähnlich. Jedenfalls haben wir uns gefreut, dass die Verstärkung endlich da war und die beiden waren, so glaube ich, recht glücklich nach fast 24 Stunden Reisezeit endlich am Ziel zu sein.
Erst mal ein kleiner Begrüßungsschluck in der Plicht. Ankommen lassen hatten wir uns vorgenommen, aber als sie dann da waren, wollten wir doch erzählen was wir in den letzten Wochen so gefühlt und erlebt hatten. Die beiden Neuen waren ganz schön platt und hatten mehr Augen für die Skyline von Norfolk und das Schiff als ein Ohr für unsere Geschichten. Aber das wussten wir ja schon vorher. Wir hatten uns überlegt, wenn Christian und Ralf da sind, werden sie wohl fertig aber aufgeregt sein und um ihnen den Weg in die Koje zu erleichtern wollten wir ihnen ein paar schön langweilige Geschichten über unsere harte Arbeit erzählen. Der Plan ist aufgegangen. Trotz ernsthafter Bemühung zur Zurückhaltung kamen so Sachen wie „…und diese Hitze, und wieder Leiter rauf, Leiter runter, Leiter rauf, Leiter runter…“ auf den Tisch. Wir haben viel gelacht, vor allem über uns selber und um viertel vor zwei lag auch der letzte in der Koje.
Jens und ich hatten ja noch Bescherung. Es gab Post von unseren Liebsten und ich kann sagen, für mich war es besser als Weihnachten, aber das geht euch nichts an…
Als ich um neun vom Duschen kam hatte Ralf schon einen Ausflug zum Bäcker hinter sich und Jens hatte Kaffe gekocht. Ich habe Christian geweckt, der noch ganz im St. Pauli Fieber schwelgte und den Tag mit dem Gesang „Wir haben Hamburger Wetter, Hamburger Wetter…“ usw. usf. begrüßte. Er hatte recht und bis jetzt (20:41) hat sich nix geändert. Egal! Es gab erst mal Frühstück. Lecker Sandwiches und Kaffee. Dann die obligatorische Tagesplanung. Wir wollten die Segel nochmal prüfen und so hatten unsere „Neuen“ Gelegenheit mal „’n büschen Seeluft“ zu schnuppern. Erste Fock runter, zweite Fock hoch und wieder runter. Dann beide zusammenpacken. Schon mal üben. Nächstes mal ist mit Seegang und Wind. Dann sind Ralf und Jens mit der Karre in die Stadt, Besorgungen zu machen.
(Zwischenkommentar: Die neuen haben auch Nachrichten aus Europa mitgebracht, z. B. die Scheiße die BP im Golf von Mexico verzapft, außer den Anwohnern die direkt betroffen sind interessiert das in Amerika keine Sau. N heftiger Regenguss in Ohio gibt ’ne Sondersendung auf dem Weatherchannel und wenn irgendein Promi Koitus gehabt hat, wird drei Tage auf allen Kanälen mit mindesten fünf Betroffenheitsexperten darüber diskutiert. Das beschert mir gerade sehr ambivalente Gefühle, einerseits bin ich froh soviel nicht mitgekriegt zu haben, andererseits macht mich dieses Ungleichgewicht in der Berichterstattung wirklich zornig.) Nun gut, is‘ halt mein persönliches Problem… Am Salontisch neben mir wird gerade über Grundsätze in Bildungs- und Ausbildungsystemen diskutiert. 🙂
Weiter im Text:
Chris sortierte seine Sachen in die Stauräume und ich genoss den freien Vormittag mit lesen. Dann ein paar Tratschgeschichten aus Hamburg und schon kamen die beiden „Alten“ mit zwei riesen Pizzen wieder. Endlich was zu Essen. Nach dem Mittag hatten Christian und ich das Auto und ’nen langen Zettel mit Kaufaufträgen für unseren „Lieblingsladen“ Westmarine. Es war immer noch kalt, knappe 15 Grad und strömender Dauerregen. Trotz widriger Sicht und, für uns, verwirrender Straßenführung und Beschilderung fand Christian sicher den Weg zum Laden. Eine geradezu winzige West-Marine Niederlassung und das üblich ahnungslose Personal. Wir suchten uns ein paar Teile auf eigene Faust und als wir Hilfe brauchten um 150 Fuß Schwimmleine abgeschnitten zu bekommen, brach ich schon wieder innerlich zusammen. Die junge Frau die diesen Job für uns übernehmen sollte erfüllte auch prompt alle meine Vorurteile. Christian verdrückte sich sofort zu denn Navigationsgeräten und ich hatte schon nach fünfzehn Minuten die Leine. Ich erspare euch die Einzelheiten.
Als ich dann nach Seekarten fragte, war sie so ehrlich zuzugeben, dass sie keine Ahnung hat und der Mann der weiß wovon er redet gerade am Telefon ist. Aber siehe da, der Stellvertretende Geschäftsführer hatte wirklich Plan. Mit ihm haben wir die nächste Stunde am Telefon und am Rechner verbracht und er hat uns das benötigte Material aus Kalifornien bestellt oder uns zu Spezialgeschäften verwiesen. Diese Spezialgeschäfte waren dann auch ihren Namen wert und nach einem kleinen Stopp bei Food-Lion schafften wir es gerade noch rechtzeitig zur Happy-Hour ins Deck-House in der Marina.
Ich habe schon im Auto zu Christian gesagt „Ich krieg ’n Hals wen ich nur dran denke jetzt in dem Scheissladen ein schlechtes Bier trinken zu müssen“. Gute Voraussetzungen für einen schönen Abend…
Als wir den Raum betraten, saßen Ralf und Jens an einem Tisch am Fenster mit Blick über die Bucht. Vor ihnen ein Teller mit Austern und einer mit dicken Krebsen, beide ein Getränk und ein fettes Grinsen am Mann, der Skipper noch ’ne Kippe in der Hand. Das sieht gut aus… Wir setzen uns dazu, mein Misstrauen sinkt und zack! Da steht sie. Kathie die Kellnerin. Ungefragt und aufmerksam. Nicht besonders hübsch, aber rotzfrech und sehr sympathisch. Ja wir wollen ein Bier und diese Sorte schmeckt auch. (Irgendwas irisches). Wir kosten die Speisen unserer Vorhut und bestellen Calamari und Austern für jeweils vier Dollar. Boah ist das super! Happy hour! Kathie kommt ungefragt in den richtigen Momenten und drückt uns freche Sprüche. Die beste Servicekraft die ich seit langer Zeit gesehen habe. Egal wo. Wir fühlen uns pudelwohl und bestellen mehrfach nach. Sowohl Essen als auch Getränke. Die Crew wächst zusammen.
Kathie erkundigt sich nach unseren Segelgeschichten und der ältere, etwas angetrunkene Seemann von der Bar mischte sich ein. Er kam an unseren Tisch und erzählte uns stolz einige geschichtliche Anekdoten über den Sezessionskrieg und die Geschichte von Virginia. Schwer zu verstehen, besonders für die Neuankömmlinge, aber durchaus nicht dumm und auch interessant. Nach jeder kurzen Story dreht er ab und wir sind schon sicher uns auf deutsch weiter unterhalten zu können. Dann kommt er zurück und setzt noch einen drauf. Wir lachen schon drüber aber er erzählt auch keine Scheiße. Alter Navy Seal und Vietnam Veteran. Auch ein paar Storys über Segelerlebnisse und den zweiten Weltkrieg und Krieg allgemein aber alles durchaus in Ordnung und ohne Aufschneiderei und auch unsere Erfahrungen und Pläne behandelt er angemessen.
Als die Happy Hour um 1830 zu ende geht übersteigen die Getränkepreise wieder unsere Verhältnisse und wir verholen an Bord. Hier sitzen wir immer noch und fühlen uns wohl.
2200. Gute Nacht.
Henning
Portsmouth, VA, 15. Mai ’10
Jetzt hätte ich aus lauter Gewohnheit beinahe Beaufort geschrieben.
Es ist Samstag Abend und wie die meisten jungen Männer meiner Generation, verbringe ich das Wochenende gerne im Waschsalon. Ich habe gerade die fünfte und sechste Ladung Wäsche in den Trockner befördert, damit unseren neuen Crewmitglieder morgen auch eine frisch bezogene Kojen vorfinden.
Ich habe hier leider keinen Netzanschluß aber wenn die recht willkürliche Internetverbindung heute gnädig, ist kann ich gleich vom Steg aus noch diesen Text hochladen.
Wie ja schon berichtet liegen wir in Portsmouth. (In meiner Erinnerung verschwimmen die Tage ein wenig aber ich versuche mal zu rekonstruieren was so geschah.) Am Donnerstag haben wir uns erst mal orientiert und beschlossen die Einkäufe lieber mit Ralf und Christians Mietwagen zu tätigen als mit dem Taxi. Ein bisschen Sightseeing sollte aber dennoch sein. Also stiegen wir nach dem Mittag in die Fähre, die uns über den Elisabethriver ins Stadtzentrum von Norfolk bringen sollte. Nach dem obligatorischen Besuch beim Hafenmeister in der Downtown Marina und einem kurzen Schnack, schlenderten wir am Wasser entlang. Alles ziemlich steril. Hohe Glaskästen von irgendwelchen Banken oder anderen Firmen. Eine gepflasterte Uferpromenade und so weiter. Ganz nett aber nicht wirklich aufregend und wir wurden in unserer Entscheidung, lieber in Portsmouth festgemacht zu haben, bestätigt.
An der Uferpromenade lag aber auch das Nauticus, ein Marine und Schiffahrtsmuseum. Dort sind wir hinein. Eine Menge sehr anschaulich verdeutlichter Beispiele für die faszinierende Welt der Meere. So steht zum Beispiel in der Eingangshalle ein zwei Meter hoher Salzstreuer. Aus dem Salz ragt die Spitze des Empire State Buildings. Wenn man den Text darunter aufmerksam durchliest, erfährt man, dass in allen Weltmeeren zusammen, soviel Salz gelöst ist, dass es, wenn man es rekristalisieren und über dem amerikanischen Kontinent ausstreuen würde, ausreicht um einen so und so hohen Salzberg über der ganzen USA aufzutürmen. Solcher Art waren die meisten Informationen in dem Museum, also alles sehr kindgerecht. Wir hatten jedenfalls unseren Spaß. Es gab viel interaktives zu erleben und man konnte horseshoe crabs aus dem Wasser heben. Das sind Krebse die bis zu 50 cm breit werden und sich komplett unter unter ihrem Panzer verstecken, der wie ein großer Stein (oder eben Pferdehuf) mit einem langen Schwanz ausseiht.
Das Herzstück der Ausstellung ist die USS Wisconsin, ein dickes Kriegsschiff (keine Ahnung was für eins, ich glaube ein Schlachtschiff). Die Wiscy, wie sie liebevoll genannt wird, war schon im Zweiten Weltkrieg im Einsatz, hat aber auch noch im Irak ’ne Menge zu Klummp geschossen. Im Museum selbst waren jede Menge Computer und Simulatoren aufgebaut an denen man selber, recht realistisch, auf U-Boot-Jagd gehen konnte oder mit Flugzeugen fliegen etc. Auf jeden Fall viel Spielzeug um kleine Jungs wie mich anzufixen, sich zur Marine zu melden. So ist es auch kein Zufall, dass sich im gleichen Gebäude ein Rekrutierungsbüro der Navy befindet. Aber ich habe ja schon eine Heuer für die nächsten zwei Monate.
Nach unserem durchaus spaßigen Museumsbesuch schlenderten wir dann durch die Innenstadt. Kam alles ein wenig so rüber, wie die Straßen um die Mönkebergstraße herum. Restaurants die Mittagstische für Bänker anbieten und sonst tote Hose. Auffällig war, dass viele Läden einen recht umfassenden Dresscode haben. Wir wurden in einer Sportsbar trotz meines eigentlich verbotenen Kapuzenpullovers bedient. Ich vermute mal der Dresscode ist nur ein Vorwand um bestimmte Personen fernhalten zu können, ohne eine Diskriminierungsklage an den Hals zu bekommen. Nachdem wir uns gestärkt hatten, machten wir auf dem Nachhauseweg noch ein paar Umwege an historischen Gebäuden entlang bevor wir wieder auf die Fähre stiegen.
Am Freitag war wieder Arbeit angesagt und dazu passend war die Temperatur über Nacht um gute zwanzig Grad gestiegen. Wir hatten angenehme 35 Grad im Schatten und werkelten fröhlich vor uns hin. Jetzt läuft die Pinne wieder leichter (einer der Gründe warum wir noch nicht segeln konnten) und unzählige Kleinigkeiten mit denen ich euch hier nicht langweilen will sind erledigt.
Heute hatten wir in etwa das selbe Programm und morgen werden wir noch ein paar Stellen nach lackieren und den Backofen wieder einsatzbereit machen, damit Ralf uns auf dem Atlantik auch immer frische Brötchen zum Frühstück machen kann.
Morgen erwarten wir unsere neuen Rekruten so gegen Mitternacht an Bord. Die dürfen sich dann noch einen Tag eingewöhnen und Dienstag werden wir Vorräte bunkern. Wenn wir im nächsten Hafen sind (St. George, Bermudas) brauchen Jens und ich nur noch To-Do-Listen schreiben. Wir gehen dann schnorcheln und kontrollieren abends ob Ralf und Christian auch alles richtig gemacht haben. 😉
Wir melden uns sicher noch mal vor der Abreise. Bis dahin:
Be safe! Euer Henning
A. B. d. Daddeldu, Portsmouth, VA, 13. Mai ’10
Das erste Etappenziel ist geschafft! Wir liegen sicher in der Tidewater Marina in Portsmouth, gegenüber von Norfolk mit einem recht netten Blick auf die Skiyline. Aber bis hierher waren es noch 48 Seemeilen von Coinjock. Über diesen Weg werde ich euch nun berichten.
Um sieben Uhr fünfzehn hieß es Leinen los und ich fuhr meinen erstes Ablegemanöver seit vier Jahren. Die Bedingungen waren denkbar günstig und so klappte auch alles reibungslos. Wir fuhren noch einige Meilen bei leichtem Wind und angenehmen Sonnenschein auf dem Kanal bevor sich vor uns der Currituck Sound öffnete. Hier färbte sich das Wasser allmählich ins gräuliche und eine sehr schmale Fahrrinne führte durch den breiten aber flachen Sund. Am Ufer Wiesen und Wälder, eine Atmosphäre wie im Wattenmeer. Es war wenig Wind angesagt aber als wir die Landabdeckung verließen frischte es buchstäblich aus heiterem Himmel auf. Eine nicht sehr hohe aber steile See baute sich auf. Obwohl wir ja kein einziges Segel gesetzt hatten schoben wir ganz schön Lage.
Nach ca. 10 Seemeilen auf dem offenen Sund kamen wir wieder in die Landabdeckung und fuhren, nun windgeschützt, in den North Landing River ein. Der N. L. River ist ein wenig breiter als die Kanäle, aber nicht viel, und schlängelt sich sehr hübsch durch die Landschaft. Da unsere schönen Fotos von gestern ja versehentlich gelöscht wurden, wollten wir heute ein paar neue machen um euch die schöne Natur zu zeigen. Leider ist der Fluss ein wenig breiter, folglich sind die Tiere auch weiter weg. Auch war das Licht nicht so schön wie Dienstag morgen aber wir haben trotzdem einige tolle Fotos machen können. Ich wollte auch mal die Kamera bedienen, hatte aber keine vernünftige Einweisung bekommen und alles macht die Automatik nun auch nicht. So sind traurigerweise ein paar wirklich starke Möglichkeiten durch mein Unvermögen versaut worden. Egal, dafür hab ich ’nen Weisskopfseeadler erwischt!
Nach einigen Stunden mündete der Fluss in den Albemarle and Chesapeake Canal und die ersten industriellen Vorbooten von Norfolk tauchten auf. Trotzdem gab es noch einiges am Ufer zu sehen und Virginia scheint vor Schildkröten nur so zu wimmeln. Im Fluss war auf fast jedem Seezeichen ein Adlerhorst gewesen aber auch unter der Autobahnbrücke vor Norfolk nisten diese mächtigen Tiere. Unter der Brücke durchzufahren war übrigens sehr unheimlich, denn der Strassenbelag bestand nur aus einem Gitterrost und so konnte man die Autos von unten sehen, die über einen hinwegbrausten. Eine Schleuse, das Great Bridge Lock, war noch zu passieren. Ich fuhr das Schleusenmanöver. Leider war ich beim Aufstoppen etwas zaghaft und so ist der Rumpf ein wenig an die Wand gerummst. Aber so was passiert eben. Vorbei an einer Abwrackwerft und vielen Schüttgutverladestellen kamen wir dann in den Industriehafen von Norfolk. Ein echt merkwürdiges Gefühl nach so vielen Tagen in der Natur wieder in eine Großstadt einzulaufen. Wie das wohl erst nach der Atlantikquerung in Hamburg wird? Kann ich mir noch gar nicht vorstellen.
Der Hafen von Norfolk ist echt groß! Und hier ist ja der Hauptstützpunkt der Atlantikflotte. Wir fuhren an einigen Marinewerften vorbei. Hier lagen, teilweise uralte, Kriegsschiffe von denen einige so aussahen als wären sie schon im Vietnamkrieg im Einsatz gewesen. Sogar ein kleiner Flugzeugträger war da. Aber ich glaub die Ammis stehen nicht drauf wenn man ihre ihre Kriegsschiffe direkt fotografiert und so haben wir uns einige wirklich spektakuläre Perspektiven lieber so eingeprägt.
Dann kamen wir in den Stadthafen und hatten die Qual der Wahl, welche der Marinas wir anlaufen sollten. In unserem Atlantikhandbuch war nur die Downtown Marina in Norfolk näher beschrieben, aber die liegt direkt an der Hafenautobahn am Bankenviertel und schon im Vorbeifahren war es tierisch laut und dauernd fuhren Polizei und Feuerwehr mit Sirenen vorbei. So folgte der Skipper lieber seinem Instinkt und steuerte auf die andere Flussseite. Jetzt liegen wir an der Altstadt von Portsmouth und ich glaube hier ist es echt ganz nett. Nachdem wir sicher vertäut waren und die Formalitäten beim Hafenmeister erledigt hatten, machten wir uns zu Fuß auf den Weg die Stadt zu erkunden.
Portsmouth wurde irgendwann im 18. Jahrhundert gegründet und wirkt wie eine Mischung aus Frankreich und England. Kleine alte Häuser und die Nebenstraßen sind echt hübsch. Sogar Bürgersteige gibt es hier noch. Wir kehrten in einem Chinesischen Restaurant ein, da es heute ja außer Pringels noch nichts vernünftiges zu beißen gab. Sehr billig und sehr lecker. Während wir aßen brach ein tierisches Gewitter los und Sturzbach artige Regenfälle brachen über die Stadt herein. Aber wir saßen ja im trockenen, die Daddeldu lag sicher vertäut im Hafen und so konnten wir uns auch das Deckschrubben sparen. Als der Regen aufhörte bummelten wir noch ein wenig die Highstreet hinunter. Hier gibt es viele Kneipen und Cafes im französischen Stil und man kann, prima geschützt, draußen sitzen. Nach zwei Bieren ging es wieder an Bord und ab ins Bett.
Heute ist ja Seemannssonntag und so schliefen wir aus. Bis acht. Nach einer Dusche machte ich mich ans Eierkochen und Jens bearbeitete derweilen die Fotos damit sie nachher auch schön in den Blog passen. Ich geh jetzt mal an Land und such mir ein Plätzchen mit Empfang. Heute Nachmittag geht’s in die Stadt um eine neue Funkantenne etc. zu kaufen. Ab morgen wird wieder geschuftet damit wir auch einsatzbereit sind wenn am Sonntag unsere Badegäste kommen.
Take care,
Henning
A. B. d. Daddeldu, Coinjock, NC, ICW, 11. Mai ’10
So, Freunde der Berge, wir liegen wieder im Hafen und ich habe Netzanschluss. Ersteinmal musste ich ich natürlich meinen Posteingang prüfen. Der war überraschend voll und ich möchte mich hier bei allen bedanken, die mir so liebe Briefe geschrieben haben. Ich hoffe ihr habt Verständnis wenn ich nicht jedem einzeln antworte, aber ich würde auch gerne nach 3 Tagen auf dem Schiff mal wieder kurz an Land gehen.
Nachdem ich mir letzten Sonntag in Belhaven die Finger wund geschrieben habe, ging ich noch kurz alleine an Land und wollte mir vor dem Auslaufen noch schnell irgendwo einen Burger oder so besorgen. Ich vergaß dabei völlig das ja Muttertag war. Die Stadt wirkte wie eine Geisterstadt aus ’nem Western. Kein einziges Auto auf der Straße und Fußgänger gibt’s hier ja eh nicht. Bis auf ein Edelrestaurant waren alle Geschäfte geschlossen und so bin ich nach einem schönen Sonntagsspaziergang unverrichteter Dinge wieder an Bord gekommen. Beim Hafenmeister besorgte ich noch eine Tüte Eis für unseren kaputten Kühlschrank und dann haben wir klar zum auslaufen gemacht.
Gegen 1530 waren die Leinen los, entnehme ich gerade dem Logbuch, und nach zwei Stunden motoren und ca. 6 Seemeilen ließen wir den Anker auf dem Pungo-River fallen. Wir wollten uns ja heute die dringend notwendige Erholung gönnen. Der Pungo ist hier ca. 1 sm breit und wir ankerten ca. 300 vom Ufer entfernt vor einem lichten Nadelwald. Es war nur wenig Wind und das leichte Schaukeln störte uns nicht. Obwohl wir weit genug vom Fahrwasser entfernt lagen haben wir nach einer kleinen Pause unsere daily duty erledigt und die Mastverkabelung klar gemacht, so das wir ganz vorschriftsmäßig unser Ankerlicht über Nacht einschalten konnten. Da wir immer noch hundemüde waren und um Strom zu sparen, sind wir praktisch bei Sonnenuntergang in die Koje.
Wir wollten ein paar Meilen machen und so sind wir Montag morgen früh aufgestanden. Wir waren praktisch gleichzeitig wach (ohne Wecker). Kurz Zähne geputzt, Wasser ins gesicht, Kessel aufgesetzt und den Anker hochgeholt. Um zwanzig vor sieben waren wir wieder auf Kurs und der Kaffee im Becher. Die Sonne schien aber ein frischer Wind blies uns entgegen. Es war der bisher kälteste Tag in Amerika und wir trugen beide ’ne lange Hose und zwei Pullover. Ich sogar noch ne Mütze und Kapuze gegen die Ohrenschmerzen. Nach wenigen Meilen bogen wir in den Pungo-Alligator-Canal ein. Ein paar andere Segler mit schnelleren Schiffen, aber auch unter Maschine, überholten uns. Der Nadelwald an den Ufern dünnte immer mehr aus und die Landschaft wurde sumpfiger. Absolut unberührte Natur und selbst wenn man gewollt hätte, unmöglich irgendwo an Land zu kommen. Entweder Sumpf oder dichter Urwald. In Ufernähe trieben viele dead heads, Abgestorbene Baumstümpfe, die teilweise dicht unter der Wasseroberfläche auf unvorsichtige Schipper warten. Wir haben ja, Gott sei dank, einen Stahlrumpf, wollen so Teil aber trotzdem lieber nicht in der Schraube haben.
Wir fahren mit gemütlichen fünf Knoten in den jungen Tag, genießen die Aussicht und beobachten Adler, immer auf der Suche nach Alligatoren. Als ich gerade Frühstück mache sichtet Jens ein paar dicke Schildkröten. Leider bin ich zu spät am Fernglas um sie noch zu sehen. Trotz unserer relativ gemütlichen Geschwindigkeit kommen wir einem kleinen Schubverband immer näher und als wir hinter ihm sind nimmt der Steuermann sogar die fahrt weg, damit wir ihn überholen können ohne von seinem Schraubenwasser all zu sehr angesaugt zu werden. Sehr rücksichtsvoll diese Ammis. Der Kanal ist schnurgerade und sowohl die Segler als auch die Schute können wir noch Stundenlang sehen. Irgendwann hören die Bäume ganz auf und der Alligator-River, hier noch ein kleines Flüsschen durch den Sumpf, kreuzt mehrmals den Kanal. Wir halten immer noch Ausschau nach Krokodilen sehen aber leider keine. Gegen Mittag werden wir dann in regelmäßigen Abständen von Motorbooten überholt. Die schieben, je nach Größe, einen bis zu drei Meter hohen Wasserberg vor sich her, knallen mit unglaublicher Geschwindigkeit heran, stoppen hinter uns auf, überholen mit rücksichtsvollen 10 kn. und legen dann wieder den Hebel auf den Tisch. Wromm und weg sind sie. Könnte schlimmer sein aber mit Alligatoren ist vorbei wenn so ein Flitzer vor dir alle Tiere verjagt hat.
Am frühen Nachmittag endet der Kanal und wir stoßen wieder auf den Alligator-River, der inzwischen ein richtiger Fluß geworden ist und anfangs ein paar hundert Meter, später zwei Meilen breit ist. Wir motoren noch einige Meilen weiter und suchen uns dann eine Stelle wo das tiefe Wasser bis dicht unter die Küste reicht. Nach neuneinhalb Stunden und 41 sm fällt der Anker und als die Maschine endlich schweigt, ist die Stille fast ohrenbetäubend. Das Wasser ist spiegelglatt und wir haben beinahe Windstille. Nur ganz leise plätschert es an den Rumpf und man kann die Salonuhr im Cockpit ticken hören. Leider fliegt ab und an ein Jagdflugzeug der Navy vorbei. Glücklicherweise in großer Höhe, und man hört es nur als entferntes Grollen. Wir kommen der großen Navy Basis in Norfolk eben immer näher. Aber über so was soll man sich nicht ärgern. Wie ich in New Bern am Tor der Airbase gelesen habe: „Please excuse the noise. It’s the sound of freedom.“ Für mich klingen Wellen und Wind schon eher nach Freiheit als so eine milliardenschwere Tötungsmaschine aber das sehen die Ammis wohl anders. Beim Stichwort Tötungsmaschine fällt mir ein, ich habe völlig vergessen in Beaufort noch in den richtigen Waffenladen zu gehen. Die warben nämlich auf einer großen Reklametafel: „Special offer: AK 47 sale!“ Da wollte ich mir noch ’ne Kalaschnikow besorgen, damit ich Steffis pinker Wal-Mart-Pump-Gun was entgegen zu setzen habe, falls es mal ’ne Krise gibt. Mist, hab‘ ich vergessen. Egal, in Deutschland ist die Munition für ’ne AK 47 wohl eh schwierig zu besorgen, seit die scheiß Waffengegner-Lobby so ’ne Panik verbreitet. Ein Mann muss doch in der Lage sein seine Familie zu verteidigen oder auch über den Haufen zu schießen wenn er besoffen ist!
Nun gut. Schluss mit Müll! Ich hab jetzt was gegessen und weiter im Text:
An diesem Ankerplatz war das Ufer ebenfalls nicht erreichbar. Kompletter Urwald und eine undurchdringliche Barriere aus totem Holz und Gestrüpp so weit das Auge reicht. Wir überlegten kurz noch ob wir das Dingy klar machen sollten um auf Alligatorenjagd zu gehen. Da bis auf zweihundert Meter vom Ufer entfernt überall dead heads aus dem Wasser ragten verzichteten wir lieber darauf. Wäre wohl nicht so cool gewesen unser Schlauchboot auf so ’nem toten Baum auf zu spießen. Man kennt das ja aus dem Fernsehen, die Krokodile kommen immer dann wenn das Boot sinkt. What ever, nennt mich ruhig einen Schisser, ich hab mich jedenfalls nicht getraut im Alligator-River zu schwimmen. Wir haben den Nachmittag stattdessen anders verbracht. Nach einem Mittagschläfchen bereitete ich uns leckere Spagetti mit Gorgonzolasauce und Jens hat den Bootshaken zurecht geschnitzt. Nach dem Essen noch ein wenig lesen und dann ab ins Bett. Ich lese übrigens gerade „Die Bucht“ von James A. Michener. Ein historischer Roman der zwischen 15hundert und 19hundert rund um die Chesapeake Bay, unserem nächsten Revier, spielt und von der Besiedlung und Entwicklung Amerikas handelt. So ’ne Art Familiensaga und sehr zu empfehlen.
Am Di morgen verschliefen wir total. So ist das ohne Wecker. Wir kamen erst um sieben aus den Kojen und sind nachdem wir die Maschine nochmal geprüft hatten Anker auf gegangen. Nach wenigen Meilen kamen wir an die Drehbrücke über den Alligator-River. Wir hatten schon sorge ob sie wohl öffnen würde, denn weder unser Funkgerät noch das Horn sind einsatzbereit und so ist die Kommunikation mit dem Brückenwärter etwas schwierig. (Beim Korrekturlesen merkt der Skipper an, wir haben noch ’ne Mundtröte und ein Presslufthorn. Also doch Kollisionswarn- und Kommunikationssysteme vorhanden. Keine Sorge.) Kurz vor der Brücke überholte uns aber ein Motorboot in einem Affenzahn und der würde ja wohl kommunikationsfähig sein. Seine Geschwindigkeit hat ihm nichts genützt, denn es war Berufsverkehr auf der Brücke und er musste natürlich ’ne viertel Stunde auf uns warten, da der Brückenwärter nicht zweimal hintereinander öffnet.
Als wir die Brücke passiert hatten öffnete sich vor uns der Albemarle Sound. Zwölf Seemeilen breit. Unser erstes größeres Wasser das es zu queren gilt. Es ist immer noch bedeckt und frisch und ich ziehe mir sogar noch eine Jacke über meine zwei Pullis. Wir fahren raus auf den Sund und das Schiff fängt in der ca. einen Meter hohen See leicht zu rollen an. Als ich Freiwache habe setze ich mich mit meinem Buch unter die Sprayhood und lese. Nicht so schlau, denn ich bin doch so anfällig für Seekrankheit. Nach einer halben Stunde wird mir leicht blümerant. Aber als ich mich im Cockpit aufrichte und meinen Blick auf dem Horizont halte geht es wieder. Als dann meine Wache beginnt, der Skipper sich zum Mittagsschlaf unter Deck verzieht und ich alleine an der Pinne stehe, mit dem Fernglas nach dem nächsten Seezeichen Ausschau halte und den Wind genieße ist von Seekrankheit keine Spur mehr. Am Horizont das andere Ufer und links und rechts nichts als Wasser. So langsam kommt wieder das Gefühl auf, auf dem Meer zu sein und ich freue mich auf die Schläge die noch vor uns liegen.
Kurz vor Mittag erreichen wir die Ansteuerung des North-River und das Flussbett verjüngt sich wieder. Links und rechts ein paar Wäldchen und Marschwiesen. Fast wie auf der Eider nur der Fluss ist ca. zehnmal so breit. Als ich abgelöst werde gehe unter Deck um mich kurz auf zu wärmen. Ich schlafe aber sofort im sitzen ein. Jens lässt mich gnädig schlafen aber nach einer Stunde werde ich vom grellen Fiepen des Echolots geweckt. Der Tiefenalarm (eigentlich warnt er vor Flachwasser) meldet sich. Ich rapple mich hoch um dem Steuermann die aktuellen Wasserstandsmeldungen durch zu geben und bald haben wir wieder ausreichend tiefes Fahrwasser gefunden. Wir haben haben beide Hunger und Jens will lieber weiter steuern als zu kochen. Also Ãœbernehme ich das und brate uns die Nudeln von gestern. Nachdem ich gegessen habe löse ich ihn ab und er hat Zeit sein Mittag zu sich zu nehmen und ein wenig zu entspannen. Der North-River mündet in einen Kanal und nach einigen Meilen erreichen wir Coinjock, die letzte Möglichkeit vor Norfolk nochmal unsere Batterien zu laden (noch immer Probleme mit der Lichtmaschine) und da wir heute schon ’ne gute Strecke hinter uns gebracht haben beschließen wir zu bleiben.
Coinjock besteht aus ein paar wenigen Häusern am Kanal. Links und rechts liegen sich zwei Stege gegenüber die sich Marina nennen. Wir wählen die, die billiger aussieht und machen fest. Es sieht hier aus wie die Schrebergartenkolonien an der Bille, vom Wasser aus gesehen. Aber wir haben Duschen, Strom und Internet. Das reicht. 35sm.
So es ist schon fast neun und morgen wollen wir früh hoch um die letzten 50 amerikanischen Meilen nach Norfolk zu schaffen. Und ihr wisst ja ich brauch noch Zeit für’s Hochladen, die Bilder, bla, bla, jammer, heul, gute Nacht.
Henning
PS
Es gab einen Unfall mit unserer Speicherkarte vom Fotoaparat. Wenn ihr also die Bilder von den Adlern und so weiter sehen wollt müsst ihr uns entweder ein Daten Rettungsprogramm schicken ode 20$ überweisen damit wir damit die Bilder freikaufen können.
Gute Nacht.
Henning und Jens um 22:30