Madeira, 4. September
Als wir in „Quinta do Lorde“ einlaufen, sehen wir schon unsere Iren mit ihrer Jilliana am Steg liegen, und bekommen prompt den Liegeplatz daneben zugewiesen. Großes Hallo. Einklarieren bei Katja, der jungen Marinangestellten, die uns nach dem üblichen Einchecken (diesmal mit 35% TO-Rabatt) freundlicherweise mit ihrem Auto mit in den nächsten Ort nimmt und dabei gleich ein sehr engagierte Einführung in die Heimatkunde gibt. Ihr Restauranttipp geht völlig in Ordnung. Werner freut sich auf den Fisch, irgendetwas mit großen Schuppen; ich bestelle eine Dorade. Wie hier üblich, bekommt man den Fisch vorher gezeigt – also nichts für sentimentale Seelen! Der Wein wird mal wieder mit der Bemerkung: „Aber un buono!“ geordert, was in der Regel zum teuersten der Karte führt. Das macht dann etwa 19 €, in Hamburg im Restaurant eine Lachnummer und für einen Schweizer schier unglaublich. Als wir gegen 2330 fertig gespiesen haben fährt natürlich kein Bus mehr raus zur Marina. Der einzige Taxifahrer des Ortes schlief leider auch schon. Doch „nada problema!“ Der Boss fährt uns eben rum. Und tatsächlich, nachdem wir unsere Rechnung beglichen haben, führt uns die Kellnerin zur Hintertür, wo der „Chefe“ schon das Auto anschmeißt. Zehn Minuten später stehen wir vor der Schranke zum Hafen. Ein Obulus für die Heimfahrt wird entrüstet abgelehnt. Ist wirklich wahr!
Mittwoch mit dem Bus nach Funchal
Am Donnerstag wollen wir ein wenig Ruhe haben und machen, nach einem gemütlichen Frühstück mit frischen Broten aus der Hotelküche, einen Ausflug mit dem Dinghy entlang der Klippen im Osten. Bepackt mit allem Notwendigen schippern wir dicht an den Felsen längs, entdecken eine Höhle, in der wir vor den flüchtenden Krabben festmachen und eine Stunde wunderbares Schnorcheln erleben. Nach der Eingewöhnung sehen wir mehr und mehr Fische, Schwämme und Seesterne. Als es uns zu kühl wird, verholen wir eine Meile und versuchen, an einem nach Kiesstrand aussehenden Uferstück, anzulanden. Die Kiesel entpuppen sich als kinds- bis ochsenkopfgroße Steine. Es bereitet uns große Mühe, uns nicht die Beine zu brechen, während wir versuchen, das Dinghy aus der Brandungszone zu ziehen. Aber es geht alles klar, und der halbe Meter Wasser im Beiboot ist für unsere ausgekühlten Füße kein Problem. Zurück an Bord genehmigen wir uns einen kleinen Anleger und einen Happen zu Essen bevor wir nach einer kurzen Verschnaufpause zum Apero bei den französischen Nachbarn gemeinsam mit zwei anderen Yachtbesatzungen eintrudeln. Ich soll Phillipe und ??? deren Windpilot-Anlage einrichten. Sie mussten ab Gibraltar mit der Hand steuern, weil ihr Autopilot den Geist aufgegeben hatte. Lustiger Abend mit den sechs Franzosen, Werner und mir. Als dir anderen hören, dass Werner nächste Woche wieder zur Arbeit muss, wollen sie sich vor Lachen ausschütten. Unsere direkten Nachbarn, SY Taravana, Michel und ???, sind mit ihrer 8-jährigen Enkeltochter unterwegs, Christian und ??? (irgendwie haben sich die Frauen nicht richtig vorgestellt) leben auf Martinique und fahren ab und zu mal über den Atlantik. Nachdem ich getan habe was ich tun konnte, geht es bei Madeirawein und kleinen Snacks fröhlich rund. Werner schlägt die Brücke, wenn mein Französisch mal wieder allzu sehr hakt. Als Dankeschön bekommen wir noch ein dickes Stück Espada geschenkt, den wir uns zum Abendessen zubereiten und mit einem guten Fläschchen Alentejo Reserva geniessen. Das ist ein Leben!
Mit eineinhalbstündiger Verspätung bekommen wir am Freitag endlich unseren Leihwagen. Sowie man sich dem modernen Leben wieder annähert beginnt das Generve. Zu Fuß passiert einem das nicht! Aber wir starten dann zu einer wirklich interessanten Inselrundfahrt. Auf der nagelneuen Autobahn – muss man sich mal reinziehen bei einer Insellänge von etwa 56 km – kann man mit bis zu einhundert km/h den Opel Corsa treten. Aber kurz hinter Funchal ist Schluss, Dann geht es richtig in die Berge, zweiter Gang, 30 bis 40 km/h. Über einen 1000-m-Pass und dann, bereits auf der Luvseite der Insel, über eine Landstraße die Berge rauf bis auf gut 1500 m. Auf ein Hochplateau, von dem man über magere Kühe auf die Wolken schaut, und nicht nur auf die, sondern auch auf schöne Wälder, tiefe Schluchten und abgründige Klippen, alles eingerahmt von verschiedensten riesigen Blütenpflanzen, die wir bei uns nur in der Miniaturausgabe im Blumentopf sehen: Geranien, Hortensien, Oleander, Hybiscus, und, und, und, mannshoch und höher, und das natürlich bei angenehmen 23 oC mit einem lauen Lüftchen (Na ja, auf 1600 m sank die Temperatur auf 19,5 oC). Ich hoffe sehr, ihr seid ein wenig neidisch! Über das Cap Ponta do Pargo ging es bergab an die Südküste, Dort wurden in den letzten Jahren drei Marinas gebaut, die noch nicht in den Handbüchern stehen. In einer liegen wir – Quinta do Lorde, die andere ist onta do Sol, Mole und Restaurant sind fertig, Schiffe: keine! Und die letzte ist Calheta, hat einen Sandstrand mit Sand aus Marokko, eine Grünanlage mit Rasen aus England und ein Hotel mit Preisen wie in Deutschland. Die Belegung ist etwa bei 20 %. Na ja, wer es mag… In der Ostecke liegen wir, und wir liegen da gut. Zwar bauen die hier wohl schon vier Jahre, aber langsam nimmt es Formen an. Die Frau/Mannschaft ist sehr nett und hilfsbereit, die Lage ist ruhig (wenn der Bagger Pause macht) und aus der Welt ist man nach Hamburger Verhältnissen auf diesen 200 km2 auch nicht. Es fährt sogar ein Bus etwa alle zwei Stunden. Und das ist ein Erlebnis für sich! Vorbei an Wein (Madeira – klingelts?) und Bananen sind wir dann nach ca. 250 km und 9 Std. in unseren Nachbarort eingelaufen, um unser Abschiedsessen einzunehmen. Und auch das ist hier nicht verkehrt. „Sollen wir ihnen den Fisch zeigen?“ ist eine Standardfrage. Und wenn du nickst, wird dir der Fisch an den Tisch gebracht und du sagst, den möchte ich und jenen nicht. Super, neeech? Mach das mal bei uns! Und dazu noch die Preise. Ein Wein der höheren Kategorie belastet dich hier mit etwa 15 €, das ist ungefähr der Preis, den wir in Hamburg im Weindepot zahlen, hier ist das der Restaurantpreis!! Wenn es dir nicht darauf ankommt oder du sowieso nichts mehr schmeckst, kannst du hier auch für 5 € die Flasche einen angenehmen Glimmer kriegen. Wohlgemerkt: im Restaurant!
Samstag ist nun Abreisetag für Werner. Bereits um 0400 h klingelt der Wecker. Kaffee aufbrühen, Morgenzigarette (immer noch, kosten hier ja nur die Hälfte) und dann zum Auto. Wir sind gedämpfter Stimmung, hatten eine schöne Zeit miteinander und bedauern beide den (vorläufigen) Abschied. Am Aeroporto, 20 km, ca. 15 min., denn die EU hat hier jede Menge neuer Tunnels durch die Berge finanziert, kurzer aber herzlicher Abschied. Zurück nach Quinta do Lorde, eigentlich wollte ich wieder in die Koje, aber die laue Nacht animiert mich zum Aufbleiben. Räume etwas auf und setze mich an den Laptop. Daraus wird ein kompletter „Bürotag“, mit Schreiben und Bilder bearbeiten. Abends nach Canical auf ein Bier und ein paar Lapas, das sind so ähnliche Dinger, wie sie sich am Schiffsrumpf festzusetzen pflegen, nämlich Seepocken, aber hoffentlich nicht von jenen, sondern von den Felsen, und dann in Öl mit Knoblauch und Kräutern gesotten, einfach lecker. Dazu frisches Brot und schon ist man mit einer Dose (d.h. Portion) gesättigt. Dann noch die liebe Stimme der allerbesten aller Ehefrauen am Handy und der Tag ist dein Freund.
Unheimlich schwül, diesig, und schon morgens 28oC; die berüchtigte Ostlage mit dem heißen Wüstenwind scheint sich anzubahnen. Sonntag. Leider ohne Kirche, aber der Tag wird trotzdem geheiligt. Nachdem ich das Auto problemlos zurückgegeben habe, läuft gegen 1130 h Harald Bubeck auf, der örtliche TO-Vertreter, und bringt mir persönlich die Post meiner Liebsten. Oh happy day…! Doch bevor ich mich in die Zeilen vertiefen darf, muss ich mir Geschichten aus aller Welt in einem astreinen Schwäbisch anhören. Die Spannbreite reicht von dem letzten Flottenbesuch der Deutschen Marine auf dem Rückweg vom Horn von Afrika, über Wandertouren mit Altnazis in Madeiras Bergen und den dazugehörigen Kriegsgeschichten, über Korruption auf der Insel und die marode Beschäftigungslage bis hin zu Anekdoten über die Kochs, Bobby Schenk und Rollo Gebhardt, die unser wackerer, beleibter Schwabe alle hier kennen gelernt hat. Er ist immerhin seit fast 35 Jahren meistens hier auf der Insel und mit einer einheimischen Lehrerin verheiratet, die jetzt allerdings mit ihrer gemeinsamen Tochter in Stuttgart als Krankenschwester lebt und arbeitet. Harald fährt etwa drei Monate jährlich zu ihnen. Nach netten eineinhalb Stunden verabschieden wir uns mit guten Wünschen. Der Rest des Tages geht mit EDV drauf. D.h., nicht ganz, denn als ich mich mit einem Glasel Wein nach getaner Arbeit ins Cockpit setze, mit einigen französischen Floskeln nach links und einigen englischen nach rechts grüße, bekomme ich eine Einladung auf die Jilliana aus Galway, die ich – nach der Frage, ob Rauchen an Bord erlaubt sei – dankend annehme. Aus einem kleinen Drink werden dann doch mehrere, aus Smalltalk wird ein ernsthaftes Gespräch und aus dem Aperitif ein einfaches Abendessen. Als ich gegen Mitternacht von Bord gehe, habe ich zwei „noie Froinde“! Nämlich Kevin und Marian Pender, die schon in Porto Santo sehr aufgeschlossen waren, als sie uns die Anregung zum Molengemälde gaben.
Der heutige Montag ist der ernsthaften Vorbereitung meiner ersten Einhandetappe vorbehalten.
(Dieser Text entspricht dem Worddokument aus dem vorherigen Beitrag, der Skipper konnte diesen wohl nicht direkt im Blog einfügen, gruß Christian)