Falmouth, UK, Sonntag der 18.7.2010
Moin, moin!
Ihr Lieben daheim, ich glaube es wird so schnell nichts mit Hennings Reportage. Die Crew liegt nach einer durchzechten Nacht noch im Koma. Der Skipper hat sich, vernünftig wie er nun einmal sein muss, gegen halb vier Uhr morgens in die Koje verholt und im Halbschlaf noch mitbekommen, dass seine Mannschaft sich um 0900 h aufgemacht hat, um irgendwo zu frühstücken. Also versuche ich nun mal wieder selbst, euch einen kleinen Eindruck von unserer letzten Etappe zu vermitteln.
Es ging bei herrlichstem Segelwetter am Nachmittag des 30. Juni von Horta los. Mit einem tollen Blick auf den Pico fuhren wir nur unter Genua in die Nacht durch die Passage zwischen den Inseln Pico und Sao Jorge. Der Wind legte langsam zu und drehte dabei auf Südwest, so dass wir hinter Sao Jorge auf Nordkurs gehen konnten. Inzwischen hatten wir auf die Fock gewechselt und das Groß mit einem Reff gesetzt. Bei 6 Bft. ging es mit 7 bis 8 Knoten super voran. Am frühen Morgen passieren wir Terceira. Entsprechend war die Stimmung an Bord. Doch dann begann die Misere: gegen Mittag dreht der abnehmende Wind auf Nord und dann Nordost, und das sollte für die kommenden sechs Tage so bleiben. Mit 3 bis 4 Knoten kreuzten wir bis zum 6. Juli mühsam gegen Wind und Strom (der Azorenstrom – ein Ausläufer des Golfstroms – setzt mit knapp einem Knoten nach Südost). Das hieß, 24 Stunden möglichst nach Osten und dann wieder 24 Stunden nach Norden. Die Tage zogen sich hin, unterbrochen nur durch gelegentliche Walsichtungen oder unsere treuen Delphine. Am 3. Juli können wir immer noch den Widerschein des Leuchtfeuers von Sao Miguel, der östlichsten der Azoreninseln am Nachthimmel erkennen. Frust! Alternativen zu Irland werden diskutiert. Sollen wir ostwärts nach La Coruña gehen? Aber bei den herrschenden Winden können wir nicht einmal Kurs auf Lissabon anliegen. Also weiter wie gehabt. Am 6. Juli nimmt der Nordostwind auch noch auf 2 Windstärken ab um dann gegen Mitternacht ganz einzuschlafen. Wir starten die Maschine und motoren sechs Stunden nach Norden, in der Hoffnung, endlich den eigentlich normalen Westwind zu finden.
Bild fertig? Dann können wir ja los
Werner und der Pico
Der kommt dann auch, aber leider nur ganz schwach. Wir machen die Maschine aus und versuchen mit dem Blister zu Segeln. Leider ist der Wind noch zu schwach, um das Segel richtig zu füllen und die Dünung ist nach wie vor heftig, so dass der Blister ständig einfällt um sich anschließend mit einem lauten Knall wieder zu füllen. Das hält ein Segel auf Dauer nicht aus. Also wieder runter damit und eine Badepause eingelegt. Nach einer Woche im eigenen Saft eine entspannende Sache.Nachmittags legt der Wind auf knapp drei Bft. zu. Jetzt klappt es mit den 90 Quadratmetern Vorsegel. Als der Wind weiter zunimmt wechseln wir auf die Genua und erreichen im Laufe der Nacht gute sechs Knoten. Das hebt die Stimmung trotz der einsetzenden Schauer erheblich. Am 8. Juli dreht der Wind auf SW zurück um am folgenden Tag als Starkwind aus NW zu wehen. Werner opfert noch einmal Neptun, aber wir kommen in dem böigen Wetter gut voran.Am Mittag des 10. Juli beruhigt sich der Wind ein wenig und wir segeln mit gefierten Schoten Richtung Irland.
Am Sonntag, den 11. Juli, sind es noch 560 sm bis zur Irischen Küste. Das WM-Finale findet nun leider ohne uns statt. Wir laufen währenddessen nur noch unter der halb eingerollten Genua. Einige Böen erreichen lockere 9 Bft; Daddeldu surft teilweise mit 10 Knoten die Wellenberge hinab. Leider kommt dabei ab und zu auch mal etwas Wasser über Deck und findet auf geheimnisvolle Weise seinen Weg in die Kojen. Besonders Hennings Koje wird gerne von oben durchnässt.
Starkwind
Sturm
Am Montag beruhigt sich das Wetter wieder. Der Wind dreht auf Nord, wir können lüften, setzen wieder volle Segel, Mittags sogar für eine Stunde den Blister! Es ist allerdings inzwischen deutlich frischer geworden, so dass wir auch tagsüber den Pullover nicht mehr ausziehen. Das Barometer beginnt das erste Mal seit unserer Abreise deutlich zu fallen. Um Mitternacht binden wir das erste Reff ein, vier Stunden später bergen wir das Großsegel ganz und rollen die Genua weiter ein. Es weht inzwischen mit 7 bis 8 Bft. aus SW, einige Schauerböen liegen deutlich darüber. Mittags fällt unser Windfahnensteuerung aus, eine Schraube hat sich gelöst und verabschiedet. Bei dem Seegang nicht zu reparieren. Also: selbst ist der Seemann. Am Mittwochmorgen haben wir dann einen echten Sturm. Es weht mit bis zu 10 Bft. Eine Welle holt Christian von den Beinen und läßt ihn auf die Sprayhood krachen, deren Gestänge das nicht überlebt. Aber wir sind ja gottseidank mit den Lifebelts angeschnallt. Die Logge steht mehrfach am Anschlag, also bei über 12,5 Knoten, gelegentlich füllt eine brechende See das Cockpit, reißt das Notlicht vom Rettungsring oder verschiebt unsere Rettungsinsel samt Halterung nach achtern. Unter Deck ist alles mistnass. Wir schaffen es gerade noch einen Kaffee zu kochen und eine Dose Ravioli aufzuwärmen. Am Donnerstagmorgen haben wir mit Orkanartigen Böen den Höhepunkt erreicht. Wir stehen inzwischen ca. 50 sm vor den Scilly Islands. Unsere bisherige Wacheinteilung wird aufgegeben. Ab sofort bleibt jeder im Ölzeug mit Rettungsweste. Der Skipper bleibt stand-by. Die Crew geht reihum eine Stunde Ruder, eine Stunde Ausguck und dann eine Stunde auf die Salonbank zum Ausruhen. Mittags tritt eine deutliche Beruhigung ein, allerdings fängt es an zu regnen. Der Wind dreht wieder zurück auf Ost und dann sogar auf Süd. Moderate 5 bis 6 Windstärken, während wir die Scillys passieren. Wir setzten das Groß wieder und lassen das Vorsegel ein wenig raus. Das Barometer steigt leicht – doch nur, um in den kommenden drei Stunden geradezu abzustürzen. Wir bekommen von Rasmus noch einmal Nachschlag. Der Wind dreht schlagartig auf SW und legt auf 7 bis 8 zu um dann noch einmal für eine halbe Stunde mit Orkanstärke zu wehen. Beim Reffen reißt das Unterliek der Genua ab, aber wir können das Segel mit erheblichem Kraftaufwand noch einrollen. Es langt aber jetzt wirklich!
Es reicht, Henning verlegt seine Koje kurzerhand in den Gang
Ausguck
Der Spuk ist vorbei
Mit einsetzender Dunkelheit ist der Spuk vorbei. Der Himmel reißt ein wenig auf, vereinzelte Sterne sind zu sehen, sogar der Mond zeigt sich mal wieder. Wir sind alle hundemüde aber glücklich, es überstanden zu haben. Voraus leuchtet Wolf Rock Lighthouse, welches wir bei Sonnenaufgang passieren, in der Ferne ist Landsend, die Südwestecke von Cornwall, mehr zu ahnen als zu sehen. Als wir dann Lizard Point, die südlichste Spitze von England, runden, haben wir schon Handyempfang und können uns zurückmelden. Bei herrlichstem Segelwetter laufen wir gegen Mittag in die Bucht von Falmouth ein. Dass dann die Maschine nicht anspringt und wir zur Begrüßung noch einen heftige Regendusche abbekommen, kann uns nicht mehr erschüttern. Wir gehen unter Segeln in den River Fal, drehen eine Runde durch den Hafen um die lokalen Wind- und Stromverhältnisse zu erkunden und nach einem Ankerplatz Ausschau zu halten. Es ist recht eng im Hafenbereich durch die Unmenge an Bojenliegern. Aber wir entdecken vor dem Visitors Yachthaven eine geeignete Lücke und fahren ein sauberes Ankermanöver unter Segeln. Kurz das nötigste aufgeklart und dann zu einem Anleger in der Plicht versammelt. Wir schließen uns gegenseitig stumm in die Arme und lassen mit abnehmender Anspannung unseren Tränen freien Lauf. Glück ist, wenn ….
euer Jens
Einer behält den Überblick
Ohne Worte
Land in Sicht
P.S.: Die Crew ist mittlerweile wach und steuert dem Artikel die Fotos bei (20:00h)