Bermuda-Azoren II
Horta, 30.06.06.
Ich fasse noch mal kurz zusammen was uns auf der zweiten Atlantik Hälfte so widerfahren ist.
Sonntag der 13. Juni war Angelverbot, wie künftig jeden Sonntag. Nicht das wir schon was gefangen hätten, aber das ist unsere Geste an den Wal. Wir sichten viele Delphine und sie sind sehr aktiv und springen viel. Es gibt hier viele unterschiedliche Delphinarten aber ich kann sie leider nicht benennen. Der Wind nimmt ab aber unter Blister laufen wir immer noch vier Knoten. Als es dunkel wird bergen wir ihn wieder, leider bin ich etwas nachlässig und belege das Fall nicht richtig. Es rauscht aus und als ich den Fehler bemerke ist es schon zu hoch um noch dran zu kommen. Also müssen wir es wohl oder übel ganz wegnehmen. Schöne Scheisse! Wenn der Seegang es zu lässt muss wohl einer in den Mast um es wieder ein zu fädeln. Is‘ klar, wer der dumme ist und auf See in den Mast muss!?!
Schon am nächsten Tag herrscht wieder Flaute. Wir sichten eine Schule Pilotwale und machen eine Badepause. Kommt gut, sich nach über einer Woche mal wieder zu waschen. Nach dem Bad ist die See ruhig genug und ich darf endlich in den Mast. Ich habe manchmal ein wenig Höhenangst aber ich hab’s verbockt und bin auch noch der Leichteste. Also einfach nicht nach unten sehen und ab in den Bootsmannsstuhl. Christian zieht mich hoch. Ich bin mit dem Lifebelt an den Mast gesichert damit ich nicht zu weit auspendeln kann. Aber trotz der relativ ruhigen See schauckelt man mehrere Meter zu beiden Seiten wenn man so hoch oben ist. Trotz des Lifebelts muss man sich festhalten da man sonst zu hart einruckt und das ist schmerzhaft. Sehr anstrengend. Ich brauche meine ganze Kraft um mich an den Mast zu klammern trotzdem verliere ich zwei, drei mal den Halt. Als ich wieder unten bin, bin ich total fertig und außer Atem, aber wir können den Blister wieder einsetzen. Nächstes mal werde ich besser auf Fallen achten.
Am Dienstag kommt wieder Wind auf und wir machen richtig gute Fahrt. Der Blister schiebt uns mit Kraft nach vorne und die Laune steigt. Der Wind wird immer mehr aber wir wollen die Geschwindigkeit ausnutzen. Das Segel ist am Limit aber wir lassen es stehen. Das Schiff gleitet sonst über die Wellen hinweg aber es ist soviel Druck im Rigg das uns der Blister einfach durch die Wellen hindurch drückt. Wir rauschen ruhig wie auf Schienen voran. Wir laufen Spitzengeschwindigkeiten von über zehn Knoten. Das ist weit über der Rumpfgeschwindigkeit (Wikipedia) und das Rigg vibriert. Es ist auch unsere alte Rekordmarke, allerdings wurde der Rekord mit einem zwei Meter höheren Mast unter Genua aufgestellt. Wir sind euphorisiert und drücken uns die Daumen, dass das Segel nicht platzt oder uns den Mast weg reißt. Wird schon gut gehen. Dann fällt eine Böh ein und die Selbsteueranlage kann das Schiff nicht mehr halten. Es gibt einen lauten Knall und das Segel fällt ein. „Bergen!!!“ Tönt das Kommando und Christian und ich stürzen aufs Vorschiff. Ich glaube so schnell war noch nie ein Blister im Sack. Regatta tauglich. Na gut dann eben die Fock. Wir reffen das Gross und machen immer noch 6-7 Knoten. Ein richtig guter Tag und es ist ja nochmal gut gegangen.
Der Wind legt auch am Mittwoch weiter zu und es herrscht Dauerregen. Mit gerefftem Gross und Fock kratzen wir in einer Schauerböh wieder die zehn Knoten Marke. Diesmal aber nur von unten. Trotz des kräftigen Windes bleibt die See für Atlantik Verhältnisse relativ ruhig und der ungemütliche Regen lässt sich auch verkraften wenn man auf die Logge schaut. Leider zerfleddert uns der Starkwind das Achterliek unserer zehn Jahre alten Fock.
Der nächste Tag wird wieder ungemütlich. Flaute und drei bis vier Meter Dühnung. Das macht echt keinen Spass und das Schiff rollt unangenehm, aber wir nutzen die Zeit um die Fock zu reparieren. Der Salontisch wird zur Nähstube.
Tage vergehen ohne Ereignisse. Wir sichten viele Delphine und auch die Schiffsbegegnungen werden mehr. Wir nähern uns Europa und sehen im Schnitt 3-4 Schiffe in 24 Std. Mal ist das Meeresleuchten intensiv mal der Sternenhimmel. Eintönigkeit.
Langsam geht uns der Strom aus und so will unser Bordelektriker Christian die Multifunktionanzeige der Kompassanlage vom Netz nehmen. Dabei fällt plötzlich der Hauptkompass und somit auch die Cockpitanzeige aus. Das ist jetzt nicht so cool. Ohne Kompass auf dem Ozean. Wir haben zwar noch GPS und zwei Handkompasse aber die Handgeräte haben natürlich ne starke Ablenkung durch den Stahlrumpf. Egal Christian findet den Fehler und diagnostiziert, dass der Hauptkompass durchgebrannt ist. Er tauscht ihn gegen ein Reservegerät aus und wir können wieder navigieren. Die See ist zu unruhig um die Deviationstabelle (Wiki) für den neuen zu erstellen aber wir gleichen ihn jetzt eben bei jedem Kurswechsel mit dem GPS ab.
Wir baden nochmal an einem der folgenden Tage ansonsten passiert nicht viel. Bordroutine. Langsam nähern wir uns den Azoren und sichten jetzt alle drei Stunden Delphine oder Wale. Auch gibt es wieder Vögel zu beobachten. Weit draussen auf dem Meer gab es nur die Wellenreiter (keine Ahnung wie die wirklich heissen). Das sind große Möwen ähnliche Vögel die immer ein paar Zentimeter über der Wasseroberfläche segeln und die uns den ganzen Törn begleitet haben. Ich glaube die kommen nie an Land. Wahrscheinlich brüten die auf Gischtkämmen.
Wir befinden uns im Azorenhoch und es herrscht Flaute. Wir müssen drei Tage Motoren. Als ich am Montag den 24. Mai aus meiner Koje krabbel ist Fajal zu sehen. Steil wächst der Vulkan aus dem Meer. Die Insel ist herrlich grün und von schwarzen und roten Lavaströmen durchzogen. Wir sind alle tief bewegt und… keine Ahnung… geht euch nichts an!
Als wir schon den Badestrand von Horta sehen können macht die Maschine komische Geräusche. Der Skipper reagiert blitzschnell und reißt den Stop-Baugenzug. Wir öffnen den Maschinenraum und stellen fest: Die Maschine ist trocken gelaufen. Kein Öl mehr. Obwohl wir regelmäßig nachgefüllt haben. Es raucht aus dem Ölnachfüllstutzen. Das wär’s noch. ‚N Kolbenfresser an der neuen Maschine. Fünf Meilen vor dem Hafen. Gott sei Dank springt sie wieder an nachdem wir Öl nach gefüllt haben. Wir schaffen das letzte Stück in den Hafen auch noch, ich fahre mit reichlich Lampenfieber einen perfekten Anleger und den Rest kennt ihr…
Ich möchte nochmal allen Leuten die mir geschrieben haben von ganzem Herzen danken. Ihr habt es echt, jeder auf seine Art, geschafft mir wieder ein wenig Kraft zurück zu geben und mich auf zu bauen. Den Rest schaffen wir auch noch! Ist ja nicht mehr weit.
Henning
30. Juni 2010 um 16:23
Danke Henning…Und ja gute Fahrt voraus!!!
30. Juni 2010 um 19:23
Moin Seemänner!
Ich wünsche Euch weiterhin gute Fahrt – das letzte Stück schafft Ihr zu viert bestimmt spielerisch!
Danke für die tollen Berichte und bis bald
Björn
01. Juli 2010 um 13:08
… und nun ich auch nochmal.
Herzlichen Glueckwunsch zur gekonnten Ueberfahrt und weiterhin genug Wasser unter’m Kiel. Freut mich, das ihr gesund und munter angekommen seid. Macht die letzten Meilen platt, wir sehen uns hoffentlich auf Helgoland. Gebt dazu bitte rechtzeitig euer eta auf.
Liebe Gruesse, Ralf aus Antwerpen
06. Juli 2010 um 05:50
Moin Moin Henning,
bin eben erst auf Deinen Blog gestoßen. Musste bei der Erwähnung der „Möwen ähnlichen Vögel die wohl nie an Land kommen“ herzhaft lachen.
Die Tierchen heißen Cagarro – oder Gelbschnagel-Sturmtaucher (http://www.azoren-online.com/azoren/informationen/fauna/index.shtml). Und: sie kommen an Land. Wenn auch erst bei Einbruch der Dunkelheit. Brüten in den Steilküsten der Azoren und machen bei Ankunft ein Heidenspektakel. Manche nennen sie auch „Aua-Aua-Vögel“.
Werde mir die Tage mal die Ruhe nehmen und Deine Atlantik-Queerung in Ruhe einverleiben.
Liebe Grüße aus HH
Birgit T.
10. Juli 2010 um 14:44
Moin Jungs. gut zu wissen das es euch gut.
rest der tour schafft ihr.
Christian ich freu mich wieder auf mucke machen mit dir.
Gruß Matze
P.S: der Mann am rohr geht vor