Town Creek Marina, Beaufort, NC, 29. April 2007

Yeah, yeah, yeah, yaeh in America…

oder

Murphies Law – the full Monty

Am Samstag, den 21.April, habe ich endlich wieder den Anker aufgeholt und Nassau verlassen. Schlappe 40 Meilen nach Chub Cay auf der Kleinen Bahama Bank. Meine letzte Station im warmen, türkisfarbenen Wasser. Kurz vor 1800 h fällt nach einem wunderschönen Segeltag der Anker vor einer nicht so besonders einladenden Insel. Aber es geht mir gut. Endlich wieder unterwegs!

Der Sonntag vergeht mit einer Überholung der immer noch leckenden Wasserpumpe und dem Austausch des Impellers, Schnorcheln an einem wunderbaren Riff und anschließender Körperpflege. Ein kurzer Landgang zum Chub Cay Segelclub bestätigt meine Vorurteile: Total snobby, nur riesige Motoryachten, Liegegebühren von 3,50 $ pro foot, zzgl. Strom 25,- und Wasser -,40 / Gln.. So fällt mir der Abschied von den Bahamas nicht so schwer. Freue mich auf Amerika.

Um 0900 h bin ich unterwegs bei einer feinen Segelbrise aus NE; die Maschine läuft mit zum Batterieladen. Mittags habe ich die Bank überquert und bin im NW-Channel wieder im tiefen Wasser. Die Maschine ist aus, die Bugwelle rauscht, meine Windfahne hält Kurs. Nach einer Goulaschsuppe mache ich einen Mittagsschlaf. Am Abend legt der Wind zu, eine Schauerböe überzieht mich. Kurz vor Mitternacht dröhnt es wie ein Kanonenschlag. Eine Welle donnert breitseits in die Plicht und das Wasser strömt durch das Küchenluk und den Niedergang auf den Kartentisch. Aber der erste Eindruck ist schlimmer als die Wirklichkeit. Nach einer halben Stunde mit diversen Lappen ist wieder alles in „trockenen Tüchern“. Die Nacht wird anstrengend, doch das Segeln ist super. Der Golfstrom in der Strasse von Florida schiebt mit 3 Knoten mit. Entsprechend ist aber auch die See. In den nächsten 24 Stunden mache ich 152 sm nach Norden gut. Am Abend des Dienstags erreiche ich mit 27 Grad 44 Min. N und 79 Grad 42 Min. W meinen westlichsten Punkt (nachdem ja der eigentliche Great Loop ad Acta gelegt ist). In kurzen Intervallen schlafe ich trotz des Schiffsverkehrs ganz gut. Der Wind kommt inzwischen ziemlich achterlich aus SE und treibt mich ein wenig an den Rand des Golfstroms. Die Wellen sind trotz abnehmenden Windes immer noch beeindruckend. Am Abend muss ich mal wieder die Batterie nachladen. Ich drehe den Zündschlüssel, die Sonne geht gerade unter, der Anlasser röhrt, dann ein knackendes Geräusch und die Maschine bleibt stehen. Zweiter Versuch. Klack. Nichts geht mehr. Deckel zum Maschinenraum auf – und da tropft mir das Motoröl aus dem Luftfilter entgegen. Ich bin verzweifelt. Alles sieht nach einem kapitalen Zylinderschaden aus. Das war’s wohl. Wie soll das weitergehen? Erst einmal Strom sparen und segeln. Leichter gesagt als getan. Der Wind flaut immer mehr ab, ein Counter Current stoppt mich weiter. Etmal nur 106 sm.

Am Donnerstag Abend ziehen aus SW dunkle Schauerwolken auf. Ich binde das erste Reff ein, dann das zweite, dann nehme ich das Groß ganz weg. Um Mitternacht bläst es mit 8 Bft. aus SSW. Inzwischen bin ich auf der Höhe von Charleston, SC, bzw. auf der Höhe von Madeira. Komisch. Vor mir Wetterleuchten. Ich fahre direkt in ein Gewitter, wie ich es noch nicht erlebt habe. Die Blitze folgen in Sekundenabständen. Der Wind legt auf 8 bis 9 zu. Böen erreichen locker 10 Bft. Die Zweite Welle steigt ein und ersäuft den Kartentisch, obwohl ich das untere Schott eingesteckt hatte. Schöne Sauerei. Und noch 95 sm bis Beaufort.

Aber am Morgen hat sich alles erledigt; die Sonne scheint wieder; der Wind ist auf moderate 6 Bft. aus W zurückgegangen. Ich klare auf und mache mir eine dicke Portion Nudeln mit Tomatensoße und Parmesan zum Frühstück. Dann wird ausgerefft und gelüftet. Der Wind nimmt weiter ab und geht auf SW zurück. Am Samstag um 1200 h segel ich wieder mit allem was ich habe – und das ist wenig genug mit meinem Ersatzrigg. Es wird deutlich kühler. Das Wasser hat, nachdem ich den Golfstrom in der Onslow Bay verlassen habe, nur noch 18 Grad und auch die Luft wird entsprechend kühler. Ich ziehe meine Fließjacke über! Aber auch die Cola in der Bilge hat jetzt eine angenehmere Trinktemperatur. Hat eben alles seine zwei Seiten. Um 1800 Uhr am Samstagabend kommt endlich die amerikanische Küste in Sicht. Noch 12 sm bis zum Beaufort Inlet. Doch die ziehen sich. Noch knappe zwei Windstärken, und die immer weiter aus Nord. Der einsetzende Ebbstrom versetzt mich weiter nach Osten aus dem Tonnestrich heraus, so dass ich gegen 2200 h aufgebe und den Anker auf etwa 8m Wassertiefe vor der Küste von North Carolina versenke. Morgen ist auch noch ein Tag.

Dachte ich! Der Anker sitzt. Ich steige auf Deck um das Groß zu versorgen, als eine unerwartete Welle mich mit Gewalt von den Füßen holt und mich Kopfüber in die Plicht stürzen lässt – mit der Stirn auf die Steuerbordwinsch. Im Fallen denke ich noch: “Scheiße, das war es wohl endgültig!“ Benommen rappele ich mich auf und beobachte, als würde ich neben mir stehen, wie das Blut über mein Gesicht läuft. Ich setze mich auf. Scheinbar nichts gebrochen, immerhin. Doch was nun? Noch immer leicht verwirrt hangele ich mich den Niedergang hinunter, greife mir das gerade frisch herausgehängte Geschirrtuch und versuche, die Blutung zu stoppen. Nach zehn – oder zwanzig? – Minuten bin ich endlich in der Lage, meine Situation etwas nüchterner zu betrachten. Gottseidankhatte ich bereits am Nachmittag meine Reservebatterie angeklemmt (Maschine zum Batterieladen war ja nicht mehr), so dass ich mein UKW-Funkgerät betriebsbereit hatte. „US-Coast Guard, this ist the German sailing vessel Daddeldu. I need some assistance!” Ein freundlicher, schwer verständlicher Mensch antwortete auch sofort. Es dauerte einige Zeit, bis wir eine Verständigungsebene gefunden hatte. Die Story war ja auch etwas verworren: Maschinenschaden, kein Wind mehr, Ankern vor der Einfahrt, Unfall an Deck, Arzt notwendig. Aber er versprach, mich abholen zu lassen. Etwa alle zwei Minuten stellte er blöde Fragen: „ What Colour ist the Boat? Do you have an EPIRB? Do you have HF? Do you have an emergency Kit? What time did you drop anchor? How many…? Do you…? Have you…? Will you…?” Er musste wohl sicherstellen, dass ich nicht ins Koma verfallen war. Und ich dachte nur, was ist, wenn du das Schiff jetzt allein lässt? Segel noch nicht gesichert. Ankerkette noch nicht ausreichend. „Give me a break, please!“ sagte ich. Ging an Deck, steckte noch zehn Meter Kette, band die Segel fest und schaltete endlich das Ankerlicht ein. Unter quarkte die Funke. Alles auf Kanal 16. Die North Carolinas hatten ein interessantes Abendprogramm! Nach etwa eineinhalb Stunden, so gegen Mitternacht, ich war fix und fertig, kam endlich das Coast Guard Boot mit Blaulicht ( sie waren zuvor nach Westen abgerauscht, hatten meine Position falsch aufgenommen – oder hatte ich sie falsch durchgegeben?) längsseits, bzw. versuchten sie, längsseits zu kommen. Der Schwell war ziemlich stark, weil inzwischen der volle Ebbstrom lief gegen die vorherige Windrichtung. Aber insgesamt noch moderat. Was hätten die bloß bei schwerem Wetter gemacht??? Jedenfalls konnte ich im fünften oder sechstem Anlauf übersteigen, wurde von sehr netten jungen Leuten gegriffen und durch eine kleine Luke unter Deck in einen hydraulisch gedämpften Sitz geschnallt und ab ging es mit 40 Knoten zur Coast Guard Station nach Atlantik Beach. Unterwegs wurde ich von zwei (schwarz-weißen) Ersthelfern versorgt: Augenreflexe, Blutdruck, Puls. Am Anleger wartete der Ambulance Car (Gruß an Björn) und brachte mich in die Klinik. Dort wurde ich von Claudia aus München erstversorgt. War High-life in Tüten dort. Samstagabend ist Saison. Diverse Sherrifs brachten Leute mit ähnlichen Wunden, allerdings in der Regel wohl stark alkoholisiert, in den Emergency Room und nahmen sie anschließend in Handschellen wieder mit. Um 0500 hatte ich endlich eine saubere Naht mit ca. 30 Stichen auf meiner ja ohnehin schon attraktiven Stirn. „That was really a blow. Straight down to your skull!“ sagte der Doc. Na ja, hätte schlimmer sein können. Eine nette Taxifahrerin brachte mich in die Captains Cabin, das einzige offene Restaurant in der Region, wo ich mein erstes amerikanisches Frühstück genoss: Pfannkuchen, Eier und Speck und Kaffee bis zum Abwinken für 6 $. Gar nicht schlecht. Dann, ich war nämlich in Morehead City, mit einem weiteren Taxi nach Beaufort zu Tow Boat US. Die waren von der Coast Guard beauftragt, mein Boot einzuschleppen. Dafür war ich in meinem Zustand auch ganz dankbar. Es war inzwischen kurz vor sieben Uhr und die Leute waren noch nicht losgefahren. So konnte ich, nachdem ich vergeblich versucht hatte Angelika telefonisch zu erreichen, mitfahren.

Komisch, dachte ich, als wir uns meinem Ankerplatz näherten, ich hatte doch viel näher am Fahrwasser geankert! Aber mein Boot schwamm noch. Ich stieg über. Genug Strom für die Ankerwinsch war auch n och da. Also Schleppleine belegt und Anker auf! Die Überraschung war groß, als die Kette fast an Deck war und – kein Anker mehr dran hing!! Offensichtlich war am frühen Morgen der Kettenschäkel gebrochen. Der Anker lag auf Grund, die Kette an Deck. Noch ein paar Stunden später und Daddeldu hätte am Cape Lookout am Strand gelegen. Ich finde, das reicht jetzt aber.

Um 1000 Uhr war Daddeldu in Beaufort in der Town Creek Marina am Steg fest. Noch ein paar Formalitäten und ich fiel tot in die Koje.

This was my first step to America.

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